Markt- und systemwidrige Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen?

Immer wieder kommen Spekulationen darüber auf, ob die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Deutschland nicht hoch genug besteuert werden und ob Anpassungsbedarf nach oben bestünde. Andererseits wird bei der recht unabhängig von Gesetzen und Prinzipien nur emotional geführten Debatte überhaupt nicht berücksichtigt, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Verrechnungsmöglichkeiten mit Verlusten, die es bei jeder Einkunftsart leider faktisch nun gibt, doch stark in Deutschland eingeschränkt sind.

Sogar der Bundesfinanzhof (v. 17.11.2020, VIII R 11/18) hat diese Regelung für verfassungswidrig erachtet und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Verluste aus der Veräußerung von Aktien dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden, sofern diese im privaten Bereich erzielt werden. 2008 wurde dies mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz im Rahmen der Besteuerung der Kapitalanlagen neu geregelt.

Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz?

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage zu dem einzelnen Punkt vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007 S. 1912) Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur wiederum mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Im Streitfall hatte der Kläger aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, zu verrechnen. Das FA lehnte dies ab. Es stellen sich Fragen Geichheitsgrundsatzes u. a, weil es bei der Veräusserung anderer Kapitalanlagen als speziell Aktien nicht zu diesen speziellen Beschränkungen kommt.

Die entsprechende Beschränkung ergibt sich aus § 20 Abs. 6 S. 4 EStG. Dies führt zu der marktwidrigen Situation, dass ein privater Anleger nicht Dividenden und Zinsen mit Verlusten aus getätigten Aktienveräußerungen unter dem Einstandswert verrechnen kann. Ist eine Berücksichtigung der Verluste in einem Veranlagungsjahr nicht möglich, werden die Verluste aus Aktien vorgetragen, bis der Anleger entsprechende Gewinne aus Aktiengeschäften realisiert.

Dafür werden entsprechende Verlustverrechnungstöpfe bei den Depotbanken und später beim Finanzamt geführt. Ferner ist eine Besonderheit im deutschen Steuerrecht, dass Verluste aus Kapitalvermögen ausschließlich mit Gewinnen aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen, aber nicht mit anderen Einkünften, z.B. Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder Gewerbebetrieb – oder gar aus einer Angestelltentätigkeit. In den anderen Einkunftsarten ist es aber nicht so, dass derartige gravierende und zahlreiche Einschränkungen für Verluste bestehen.

Es ist deshalb fraglich, warum ausgerechnet bei der Einkunftsrealisierung im Rahmen von Kapitalvermögen steuerliche Besonderheiten bei mit erheblichen Risiken behafteten wirtschaftlichem Handeln an den Märkten bestehen sollen.

Bei Termingeschäften ist es steuerlich noch extremer

Dort dürfen Verluste aus diesen Geschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden. Darüber hinaus gibt es dort eine Regelung, dass eine Verrechnung von Verlusten lediglich auf 20.000 € im Jahr möglich ist. Inwieweit hier Änderungen vom Bundesverfassungsgericht auf diesen Themenkreis erfolgen, bleibt abzuwarten. Andererseits hat das Bundesfinanzministerium ein BMF-Schreiben veröffentlicht, wonach Zertifikate und  Optionsscheine nicht unter die genannte Regelung fallen (BMF v. 19.05.2022 – IV C 1 – S 2252/19/10003 :009). Dort gilt also auch nicht die Höchstgrenze von 20.000 € im Jahr.

Auch der gesamte Verfall von Wirtschaftsgütern, wie z.B. Aktien und Forderungen, wie es z.B. im Fall Wirecard (Dax-Konzern in Insolvenz) oder bei dem Zusammenbruch der zweitgrößten Krypto-Börsenplattform (FTX) in den USA massenhaft der Fall war, sieht das deutsche Einkommensteuerrecht seit 2020 vor, dass sie lediglich i.H. v. 20.000 € im Jahr mit Einkünften aus Kapitalvermögen (wie z.B. Zinsen und Dividenden) verrechnet werden können. § 20 VI 6 EStG bestimmt insoweit, dass Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des Absatzes 1, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des Absatzes 1 auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern im Sinne des Absatzes 1, nur in Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen.

Gerechte und leistungsgerechte Besteuerung?

Steht all dies mit Gerechtigkeitserwägungen und leistungsgerechter Besteuerung nach allgemeinem Steuerrecht noch in Einklang? Ist diese Besteuerung beim Kapitalvermögen mit den allgemeinen Grundsätzen überhaupt vereinbar? Dies auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Inflation (= Geldentwertung)?

Die Bemessungsgrundlage für jede Art der Einkommensteuer hat die steuerliche Leistungsfähigkeit möglichst richtig zu messen und soll das für die Steuerzahlung disponible Einkommen möglichst richtig ausweisen. Normalerweise gilt das Prinzip der reinen Einkünfte unter Berücksichtigung von Verlusten (sogenanntes objektives Nettoprinzip).

Besteuert werden soll dasjenige, was am Markt tatsächlich in der jeweiligen Einkunftsart (sogenanntes Marktprinzip) verdient wurde. Die Summe der Einkünfte sollte einig das Einkommen im ökonomischen Sinne umfassen (vgl. DStZ 2005, 564). Grundsätzlich geht es immer um ein Markteinkommen. Dieses ist unter allen Sachverhaltselementen stets zu ermitteln. Man hat sich für sieben Einkunftsarten entschieden (§ 2 EStG). Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen hat man sich für Überschusseinkünfte entschieden, da man immer schon wusste, dass es Gewinne und Verluste bei der Kapitalanlage geben kann. Besteuert werden sollte doch nur das wirtschaftliche Ergebnis einer Erwerbstätigkeit, hier das Erzielen von Einkünften am Kapitalmarkt.

Objektives Netto-Prinzip

Wenn jede unternehmerische Tätigkeit, in beinahe jeder Einkunftsart, immer mit Einnahmen und Ausgaben sowie mit Verlusten verbunden ist oder verbunden sein kann, so gebietet doch das objektive Netto-Prinzip die uneingeschränkte Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen, folglich auch der erzielten Verluste. Das objektive Netto-Prinzip bedeutet im Wesentlichen, dass Verluste auch die Bemessungsgrundlage vom Grundsatz mindern müssen, gerade auch in dem Jahr, in dem sie anfallen. Zwar gibt es auch bei anderen Einkunftsarten spezielle Vorschriften betreffend der Einkünfte und entsprechende punktuelle Abzugsverbote. Die Intention, Steuermehreinnahmen zu erwirtschaften bzw. Steuermindereinnahmen zu verhindern, ist jedoch zur Rechtfertigung der Durchbrechung des Nettoprinzips per se ungeeignet. Stets muss auch die leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung, gerade auch bei privaten Anlegern, im Vordergrund stehen.

Es kann in einzelnen Fällen die Frage schwierig sein, wenn im Einzelfall ein Verlust „final“ wird (vgl. dazu u.a. BFH Urteil v. 22.08.2012 – I R 9/11). Manchmal verharren nach Negativmeldungen Aktienwerte monatelang noch im Penny-Stock-Bereich. Teilweise wurde versucht, dies durch eine bankseitige Depot -Ausbuchung zu belegen. Letztlich geht es aber auch um das Verhältnismäßigkeitsprinzip und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn man das Wirtschaften bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einer gerechte (re)n Besteuerung unterziehen will.

Derzeitige Ungereimtheiten

Wenn Gewinne und Dividenden immer im selben Jahr gleich an der Quelle besteuert werden sollen, Verluste aber sehr viel später und unter Unwägbarkeiten (etwaige künftige Gewinne) zum Tragen kommen, liegt wertungsmäßig eine Asymmetrie vor, die bei den Einkunftsarten ihresgleichen sucht. Auch das Prinzip gegenwartsnaher Besteuerung sagt nicht aus, dass man nur Gewinne sofort besteuert und Verluste „irgendwann“ einmal berücksichtigt. Es geht bei unternehmerischem Handeln und Eingehen von Risiken auch um Liquiditäts- und Wirtschaftlichkeitsfragen.

Vielmehr bedeutet dies, dass das Prinzip gegenwartsnaher Besteuerung nicht nur einseitig für positive Erfolgsbeiträge zur Anwendung gebracht werden darf. Das objektive Nettoprinzip muss in jedem Veranlagungszeitraum insgesamt erfüllt sein.

Zukunftsaussichten und Fazit

Sollte deshalb bei der anfänglich geschilderten Debatte einer etwaigen höheren Besteuerung von Kapitalvermögen dieses Thema der gegenwärtigen umfassenden Verlust- und Verrechnungsbeschränkungen nicht gleichzeitig  angegangen werden, wäre eine neue Regelung der Gesetzgebungsorgane im Inland insgesamt als verfassungswidrig zu beurteilen, weil dann einerseits die Gewinne im selben Jahr noch höher – und zwar sofort durch eingeschaltete private Depotbanken – quellenbesteuert werden und Verluste in allen Richtungen und auch grenzüberschreitend im Grunde weitgehend für private Anleger geblockt sind.

Beachtet man auch den allgemeinen Gleichheitssatz und die Freiheitsrechte so ist die Einkommensteuer die falsche Steuer, um das generelle Steueraufkommen vom in wechselhaften Konjunkturphasen unterschiedlichen Konjunkturverlauf abzukoppeln, man könnte auch sagen, der Wirtschafts- und Geschäftsjahrverlauf muss insgesamt, d.h. ganzheitlich, betrachtet werden, bei jeder Einkunftsart.

Auf eine in irgendeinem Punkt positive Anleger-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann nur gehofft werden, wenn dort auch nur ein Teilaspekt der ganzen Problematik gestreift werden sollte. Jedenfalls wäre bei einer geänderten zeitnahen Verlustberücksichtigung im Wege Gesetzes weder missbräuchliche Gestaltungen zu befürchten, noch wäre die bisherige Regelung wegen außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele zu rechtfertigen. Es geht letztlich auch um die Unversehrtheit des (Aktien-)Eigentumsrecht (Freiheitsrecht) der Anleger (garantiert in Art. 14 GG) sowie letztlich allein um gerechte Besteuerung innerhalb der Einkunftsart nach allgemeinen Steuergrundsätzen.

Die EZB – alles passé mit den EU-Verträgen?

An den internationalen Anleihemärkten erlebt man derzeit eine denkwürdige Entwicklung. Nach Berechnungen von Banken ist es niemals zuvor – zumindest soweit die Markt-Daten zurückreichen – zu einem derartigen Absturz bei den Anleihekursen gekommen, wie es im Moment und in den ersten beiden Quartalen in 2022 zu beobachten ist. Ursache für den Crash am Rentenmarkt ist die Geldpolitik der Notenbanken. Zu lange hatten die US Federal Reserve und die Europäische Zentralbank gehofft, dass der starke Inflationsanstieg (bis ca. 8,1 %) nur von „kurzer Dauer“ sein und quasi von selbst wieder verschwinden würde. Grund sei der „Nachfrageüberhang“, „Lieferkettenprobleme“ oder andauernde Lockdowns in China. Diese Fehleinschätzung rächt sich nun, da sich zeigt, dass die Inflationsrate für eine längere Zeit weit über der eigens gesetzten „Zielmarke“ von zwei Prozent verharrt und ggfs. auch verharren wird.

Das US-Fed ist damit aus der eigenen Langsamkeit herausgestiegen – und hat den Turbo geschaltet. Am Jahresende dürfte der US-Leitzins dann in einer Spanne von 3,50 bis 3,75 Prozent liegen und im nächsten Jahr auf gut vier Prozent angehoben werden.

Gewährleistung einer Unabhängigkeit der EZB?

Die Frage muss man dann stellen: Wie abhängig ist die EZB denn nun seit 2008, der letzten großen (Finanz-) Krise geworden? Wenn man über „operative oder funktionelle Unabhängigkeit der EZB in den Verträgen nachschaut, so bedeutet sie vom Grundsatz, dass die EZB bei der Entscheidung hinsichtlich der Methode, mit der sie ihren Auftrag durchführen möchte, frei ist.

Allerdings ist die EZB durch Art. 127 Abs. 1 des AEU-Vertrag sowie andererseits durch die EZB-Satzung, die gerade Preisstabilität als Ziel der europäischen Geldpolitik vorgeschrieben, gebunden. Insofern bezieht sich die operative Unabhängigkeit lediglich auf die Durchführung des Ziels, unter anderem auch auf die Bestimmung derjenigen Inflation, die (noch oder gerade noch) mit Preisstabilität vereinbar ist, nicht jedoch auf die Festlegung des Ziels an sich. Im AEU-Vertrag steht deutlich: Weiterlesen

Spätere Aufwendungen bei Erbschaften und Schenkungen und das objektive Nettoprinzip

Jährlich werden Milliarden vererbt. Oft gibt es auch eine gesetzliche Erbfolge oder eine vertragliche oder testamentarische Erbfolge und entsprechende Verfügungen des Erblassers, die in der Regel Fall bindend für die Pflichtteilsberechtigten bzw. für potentielle Erben sind.

Dennoch kann es immer wieder im Nachgang zu der Eröffnung eines Testaments oder eines notariellen Erbvertrages zu Streit kommen. Ein Kind fühlt sich benachteiligt, insbesondere dann, wenn es gar nicht in die Erbenstellung einrückt. Weiterlesen

Die Bilanz-Nichtigkeitsklage des Insolvenzverwalters – Türöffner zu den Dividenden der Aktionäre?

Nicht nur in einem der größten Wirtschaftsdelikte der deutschen Nachkriegsgeschichte, namentlich im Fall Wirecard, ging es um Überbewertungen oder falsche Bewertung von Bilanzposten in der Bilanz/Konzernbilanz.

Nichtigkeitsklage durch den Insolvenzverwalter

Kommt es aufgrund dieser unzutreffenden Bilanzierung zu einer Insolvenz der Gesellschaft, dauert es regelmäßig nicht lange, bis eine entsprechende Bilanz-Nichtigkeitsklage des Insolvenzverwalters, unter anderem wegen Überbewertungen eines Bilanzpostens oder falschen Ausweises von Forderungen der Aktiva im Jahresabschluss, gerichtlich beim erstinstanzlichen Landgericht lanciert werden.

Der Insolvenzverwalter ist aber befugt, eine Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7, S. 1, § 249 Abs. 1, S. 1 AktG zu erheben, soweit die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses die Insolvenzmasse betrifft. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter die Ersetzung des angegriffenen Jahresabschlusses durch ein für die Masse günstigeren Jahresabschluss anstrebt.

Der Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns ist außer in den Fällen des § 173 Abs. 3 AktG, des § 217 Abs. 2 AktG und des § 241 AktG nur dann nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist. Die Nichtigkeit des Beschlusses aus diesem Grunde kann aber nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Hinweisbeschluss des BGH

Der BGH hat dazu beispielsweise in einem Hinweisbeschluss vom 11. Mai 2021, AZ: II ZR 56/20, geurteilt, dass wenn die Anschaffungskosten über dem Zeitwert des Vermögens-Gegenstandes liegen und es dadurch zu einer Überbewertung bei der Zugangsbewertung kommt, im Rahmen des folgenden Jahresabschlusses zu prüfen ist, ob eine Abwertung nach § 253 Abs. 3 bis Abs. 5 HGB zu erfolgen hat. Weiterlesen

Das neue Personengesellschaftsrecht – der ganz große Wurf?

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht (MoPeG=Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz) wird das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erstmals seit über 100 Jahren einer größeren Reform unterzogen. Inkrafttreten wird das Gesetz allerdings erst am 01.01.2024.

Auch wenn die Übergangsphase noch sehr lang erscheint, bietet sie betroffenen Gesellschaften den zeitlichen Spielraum, Anpassungen vorzunehmen. Insofern ist der Faktor Zeit aktuell noch der beste Freund. Warum die ganze Thematik jetzt schon relevant ist, soll in diesem Beitrag beschrieben werden. Weiterlesen

Bilanzverbesserungen in Krisenzeiten

In der aktuellen Post-Coronasituation fragen sich viele Unternehmen, wie die eigene Bilanz und insbesondere die Passiva neu strukturiert werden können, um der Gesellschaft neue Mittel zuzuführen. Dies einerseits vor dem Hintergrund, die Liquiditätssituation im Auge zu behalten und andererseits vor der Pflicht der Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften,  den Gesellschaftern bzw. Aktionären der Gesellschaft anzuzeigen, wenn ein Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals bzw. des Grundkapitals besteht (Verlustanzeige, § 49 GmbHG, § 92 AktG).

Pflicht zur Verlustanzeige

Diese Pflicht besteht jederzeit, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen das Vorliegen dieses Sachverhalts anzunehmen ist. Das Ganze führt zu einer Überwachungspflicht in Bezug auf das Eigenkapital. Anzuwenden sind bei einer positiven Fortbestehensprognose dabei die allgemein handelsrechtlichen Ansatz-und Bewertungsvorschriften, insbesondere Stichtags-, Realisations- und Imparitätsprinzip. Das IDW hatte dazu zuletzt am 25. März 2020 eine Merkhilfe zusammengestellt, in der Posten für Posten gezeigt wird, in welcher Form die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu berücksichtigen sind.

Neue Investoren und Gesellschafter

Selbstverständlich lohnt es sich immer, nach neuen Investoren, bzw. Gesellschaftern Ausschau zu halten. Die Aufnahme eines neuen Gesellschafters, die Ausgabe neuer Anteile an der Gesellschaft und der Einzahlung des gezeichneten Kapitals durch den neue Gesellschafter haben einen positiven Einfluss auf die Bilanz und die Liquiditätssituation. Weiterlesen

Was ist nun Pflichtlektüre für Berater mit Blick auf das Haftungsrisiko – und auf was darf noch vertraut werden?

Immer wieder stellt sich die Frage, auf was ein Berufsträger der steuerberatenden Berufe noch vertrauen darf. Noch 2008 galt, dass solange sich der Steuerberater der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichtes orientiert, arbeite er lege artis. Man könne von ihm deshalb „regelmäßig nur verlangen, die Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen, die im Bundessteuerblatt und in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht – dem Organ der Bundessteuerberaterkammer – veröffentlicht worden sind“.

Später in 2014 wandte sich der BGH (IX ZR 199/13) der Thematik zu. Wiederum ging es um die einzigartigen steuerberatenden Berufe. Grundsätzlich dürfe der Steuerberater in „den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen.“ Maßgeblich sei die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung – im Zeitpunkt der Beratung. Über deren Entwicklung muss sich der Berater anhand der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten. In Betracht kämen vor allem das vom BMF herausgegeben BStBl und die von der Bundessteuerberaterkammer herausgegebene Zeitschrift „DStR“. Von der äußerst hilfreichen, sehr praxisrelevanten NWB Datenbank und insbesondere der Zeitschrift NWB war damals noch nicht die Rede. Wie würde der BGH aber dies heute beurteilen? Dies im Zeitalter der steuerrechtlichen Voll-Digitalisierung? Auf was muss „Zugriff“ genommen werden? Beispielsweise EU-Websites? Weiterlesen

Die Verträge mit der EU – falsche Interpretation durch den Mitgliedstaat Deutschland?

Seit mehreren Jahren und vieler verfassungsrechtlicher Klagen stellt sich die Frage, ob Deutschland sich den EU-Verträgen vollständig unterwerfen muss und ob die Verträge überhaupt richtig ausgelegt werden. Oft fragt man sich bei in Englisch verfassten EU-Richtlinien (auch im Umsatzsteuerrecht), ob sie überhaupt richtig übersetzt und in nationales Recht umgesetzt werden, wie man beispielsweise bei Umsatzsteuerrichtlinien deutlich sieht. Hier passieren leider viele Umsetzungsfehler.

Nicht nur die zahlreichen Hilfsprogramme, „Stabilitätspakte“ und Hilfspakete in Milliardenumfang, die seitens der EU mit großer Beitragspflicht von Deutschland durchgeführt wurden, ließen dabei große Zweifel erkennen. Deutschland wurde gar von der Europäischen Union mit einem Vertragsverletzungs-Verfahren belangt, weil das eigene (höchste) Bundesverfassungsgericht in einem Urteil Rechtsprechungsgrundsätze „verlauten ließ“ die der Europäischen Kommission, als „Hüterin der Verträge“, die im Wesentlichen vom zentral regierten Frankreich beherrscht wird, nicht gefallen  haben.

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Nun scheint das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung gegen zwei vorläufige Rechtsschutz-Anträge (2 BvR 2216/20, 2 BvR 2217/20) sich dem Ganzen deutlicherer im Ductus zu nähern, als bisher.

Schon bei angedachten Steuerregeln für die gesamte Europäische Union (abgesehen von der Umsatzsteuer) und Maskenbestellungen auf europäischer Ebene) hatten sich so manche Juristen gefragt, ob nicht die Väter des Maastrichter Vertrages gerade das Steuerrecht und den für das jeweilige Staatsvolk wichtigen Gesundheitsschutz den  EU-Nationalstaaten vollumfänglich überlassen wollten. Das war damals nicht die schlechteste Idee in puncto EU-(Steuer-)Wettbewerb und effektivem Schutz im Gesundheitswesen. Weiterlesen

Neues zu Schneeballsystemen

Schon Charles Ponzi, US-Bürger, der vermeintliche Erfinder des „Ponzi-Systems“, wusste es ganz genau: Mit einem Schneeballsystem (engl.: „Ponzi scheme“) kann man unglaublichen Reichtum anhäufen, mit einem Schneeballsystem kann man es zu großem finanziellen Erfolg bringen.

Doch was braucht es dazu und was versteht man unter einem Schneeballsystem eigentlich? Hierzu zählen – Geschäftsmodell her betrachtet – Geld- bzw. Kapitalanlagen, für die sehr hohe Renditen versprochen werden, die aber nur auf dem Papier existieren. Oft sind es mehr als 7 % bis 10 % Rendite auf das eingesetzte Kapital, die vom Gründer garantiert werden. Wenn Anleger zwischenzeitlich Kapital bzw. Erträge ganz oder teilweise zurückfordern, werden sie über einige Zeit ausbezahlt, um das Vertrauen von Neukunden zu bewahren.

Die Auszahlungen können aber nur finanziert werden, indem die Einzahlungen anderer Kapitalanleger dafür verwendet werden. Werterhöhende Geschäfte oder reale Investitionen gibt es bei diesen Anlagemodellen nicht oder allenfalls nur am Anfang des Geschäftsmodells, wie z. B. bei Investor „Bernie“ Madoff. Später wird das Aktivgeschäft ganz eingestellt. Weiterlesen

Die Feststellung der Insolvenz in der Corona- Pandemie – ein gesetzgeberisches Meisterwerk?

Täglich bekommt man zu lesen, dass eine verschleppte Pleitewelle drohe und demnächst Tausende von Unternehmen Insolvenz anmelden müssten. Angst besteht vor allem auch bei gesunden Betrieben vor sogenannten Zombie-Unternehmen. Dabei ist gesetzgeberisch sehr viel in Bewegung. Aufgrund einer EU-Richtlinie wurde ein neuer präventiver Restrukturierungsrahmen geschaffen, der in Umsetzung einer europäischen Restrukturierungsrichtlinie einen Katalog an neuen Restrukturierungsinstrumenten enthält und insbesondere eine planmäßige außerinsolvenzrechtliche Restrukturierung ermöglicht.

Nun gilt es allerdings die seit März 2020 bestehende Gesetzgebung näher zu beleuchten, wenn es letztlich darum geht, ob ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss oder nicht. Zumindest eines scheint gesichert: Nach aktuellem Stand sind die Insolvenzantragspflichten für alle Unternehmen, die Hilfen aus den staatlichen Förderprogrammen beantragt haben, jedoch noch nicht erhalten haben, bis Ende April 2021 weiterhin ausgesetzt. Zudem besteht großer Konsens darin, dass der Prognosezeitraum für den Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) bis Ende des Jahres 2021 von zwölf auf vier Monate reduziert ist, sofern die Überschuldung auf der Corona-Pandemie „beruhe“. Ob es für den Zeitraum danach noch weitere Änderungen gibt, ist wegen dem Bundestagswahlkampf weder wahrscheinlich, noch unwahrscheinlich, mithin ergebnisoffen. Weiterlesen