Staatliche Wucherzinsen – jetzt muss das Bundesverfassungsgericht ran!

Der Politik fehlt bisweilen der Mut, Steuergesetze rasch zu ändern – vor allem, wenn dies zu Lasten des Fiskus geht. Jüngstes Beispiel: Der Zinssatz bei Nachzahlungszinsen, der nach dem Gesetz (§ 238 Abs.1 S. 1 AO) seit mehr als 50 Jahren 6 % im Jahr beträgt: eine traumhafte Rendite in Zeiten langandauernder Niedrigzinsen.

In meinem Beitrag „BFH: Schluss mit staatlichen Wucherzinsen“ habe ich bereits die Frage gestellt, ob nun ein Ende in Sicht ist. Kommt nun angesichts der neuesten Entwicklungen „Bewegung“ in die Sache? Wird das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zur Änderung zwingen müssen?

Worum geht es?
Im Aussetzungsbeschluss des BFH vom 25.04.2018 (IX B 21/18) hat der IX. BFH-Senat für Zinszeiträume ab 01.04.2015 erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinssatzhöhe geäußert und die Aussetzung der Vollziehung beschlossen. Der gesetzliche Zinssatz überschreite angesichts der strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen wirtschaftlicher Realität erheblich. Alles deutet darauf hin, dass der IX. Senat seine Ansicht im Hauptsacheverfahren bestätigt und sich damit dem III. Senat (Urteil vom 09.11.2017 III R 10/16) widersetzt.

Bundesregierung lehnt Senkung ab!
Das war ein Paukenschlag, der auch das politische Berlin in Unruhe versetzt hat. Die FDP-Fraktion hat deshalb umgehend eine Senkung der Nachzahlungszinsen und eine Koppelung an den Referenzzinssatz gefordert (BT-Drucks. 19/2579). Das hat die Bundesregierung aber Ende Juni 2018 abgelehnt: Sie plane derzeit nicht einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den Zinssatz von 6 % im Jahr abzusenken, teilte die parlamentarische Staatssekretärin kürzlich mit (BT-Drucks. 19/2766, Antwort auf Frage 12). Begründung: Die Bundesregierung geht nach wie vor von der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts aus!

Bringt das Bundesverfassungsgericht die Änderung?
Bei so viel fehlendem politischen Mut muss jetzt das höchste deutsche Verfassungsgericht ran und endlich Klarheit schaffen. Bekanntlich sind derzeit beim Bundesverfassungsgericht schon zwei Verfahren zur Zinshöhe anhängig (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17), über die dem Vernehmen nach noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass das BVerfG die Bedenken des IX. BFH-Senats teilt und dem Gesetzgeber gleich noch eine weitere Problemlösung zur Hausaufgabe macht: Denn vom Finanzamt erhaltene Zinsen sind  wiederum steuerpflichtig, umgekehrt können gezahlte Zinsen aber nicht steuermindernd geltend gemacht werden!

Gar nicht erst warten auf das Bundesverfassungsgericht will die Bayerische Staatsregierung: In einem Entschließungsantrag im Bundesrat setzt sich der Freistaat Bayern jetzt für die umgehende Absenkung des gesetzlichen Zinssatzes (§ 238 Abs. 1 S. 1 S.1 AO) von 0,5 auf 0,25 % / Monat ein (BR-Drucksache 324/18 vom 04.07.2018). „Die bestehende Regelung mit einer Verzinsung von 6 % pro Jahr ist den Bürgerinnen und Bürgern kaum noch vermittelbar.“, heißt es dort. Und daraus wird der Schluss gezogen: „Ein Zuwarten auf die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes ist aufgrund des nunmehr verfestigten, extrem niedrigen Marktzinses nicht mehr vertretbar.“ Dem ist nichts hinzuzufügen: Denn Zinsen sind kein Sanktionsmittel oder gar Strafe, sondern eine verschuldensunabhängige, rein laufzeitbezogene Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung. Wer aber wegen des Marktumfeldes aus der Kapitalnutzung den vom Gesetzgeber unterstellten Zins gar nicht erwirtschaften kann, sollte ihn auch nicht an den Fiskus abführen müssen.

Empfehlung: Einspruch einlegen!
Auch jetzt ist betroffenen Steuerzahlern zu raten, unbedingt Einspruch einzulegen, wenn ein Steuerbescheid mit Nachzahlungszinsen ergeht – mit Hinweis  auf die relevanten Verfahren vor dem BFH (IX B 21/18) und die bereits erhobenen Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann man sich davor schützen, überhaupt erst an den Fiskus zahlen zu müssen.

Umgekehrt gilt aber: Solange das Gesetz nicht geändert ist, darf sich der Steuerpflichtige bei einer Steuererstattung freuen. Denn eine Rückzahlung vom Finanzamt wird ab dem 15. Monat nach Ende des Veranlagungszeitraums ebenfalls mit 6 % pro Jahr verzinst (§ 233 a AO) – gutes Geschäft!

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