Widerruf einer Vollmacht: Es kommt auf die Kenntnis des Finanzamts an

Mandanten erteilen ihrem steuerlichen Berater zumeist eine Vollmacht zur Entgegennahme der Steuerbescheide und anderer Verwaltungsakte des Finanzamts. Zumeist wird die Vollmacht mit weiteren Berechtigungen verbunden, etwa mit der Vertretung im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Zuweilen kommt es aber zum Streit zwischen Berater und Mandanten bzw. zur Beendigung des Mandatsverhältnisses und die Vollmacht wird widerrufen. § 80 Abs. 1 Satz 3 AO bestimmt für diesen Fall: Ein Widerruf der Vollmacht wird der Finanzbehörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht. Der BFH musste in diesem Zusammenhang nun folgender Frage nachgehen: Welche Wirkung kommt dem Widerruf der Vollmacht innerhalb der Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO für den Lauf einer Klagefrist zu?

Seine Antwort: Ein Verwaltungsakt – hier eine Einspruchsentscheidung – ist wirksam bekanntgegeben, wenn sie an den Bevollmächtigten übersandt wird. Die Wirksamkeit bleibt auch dann bestehen, wenn die Vollmacht bei Bekanntgabe zwar bereits widerrufen wurde, dem Finanzamt dieser Widerruf aber erst kurz nach der Absendung des Verwaltungsaktes angezeigt worden ist (BFH-Urteil vom 8.2.2024, VI R 25/21).

Der Sachverhalt:

Das Finanzamt hatte eine Einspruchsentscheidung zunächst an den Bevollmächtigten der Steuerpflichtigen gesandt. Dieser schickte die Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurück und teilte mit, seine Vollmacht sei zwischenzeitlich widerrufen worden. Das Finanzamt erfuhr erst jetzt von dem Widerruf. Daraufhin sandte es die Einspruchsentscheidung zeitnah an die Steuerpflichtige selbst. Diese wollte sich gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung wehren, erhob ihre Klage beim Finanzgericht jedoch erst Monate später. Finanzamt, FG und nun auch der BFH sahen die Klage als verspätet und damit als unzulässig an.

Die Begründung:

Die Einspruchsentscheidung sei dem Bevollmächtigten wirksam bekanntgegeben worden, da das Finanzamt nach Aktenlage bis zu der Absendung der Einspruchsentscheidung von einer wirksamen Vollmacht ausgehen durfte. Die Mitteilung des Widerrufs der Vollmacht, die erst nach der Absendung der Einspruchsentscheidung erfolgt sei, stehe dem nicht entgegen, da für die wirksame Bekanntgabe an den Bevollmächtigten nur auf den Kenntnisstand des Finanzamt zum Zeitpunkt der Absendung abzustellen sei. Die Frist für die Klage von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung war damit längst abgelaufen.

Durch die Übersendung der Einspruchsentscheidung an die Steuerpflichtige wurde keine neue Klagefrist in Gang gesetzt. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber dem Inhaltsadressaten in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. In diesem Fall komme es für alle Folgefragen einschließlich des Beginns der Einspruchs- oder Klagefrist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts an. Hat das Finanzamt wegen bestehender Zweifel am Zugang eines Verwaltungsakts einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt bekannt gegeben oder eine Bescheidkopie übermittelt, komme dem nur dann Bedeutung zu, wenn die Bekanntgabe zuvor nicht wirksam gewesen war.

Denkanstoß:

Die Vorinstanz, das FG Münster, hatte bereits ausgeführt: „Die Behörde soll sich insoweit auf die erteilte Vollmacht verlassen können bis ihr der Widerruf der Vollmacht zugeht. Maßgeblich kann dabei nur der Zeitpunkt der letzten Behördenhandlung sein, hier also der Zeitpunkt der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post. Liegt in diesem Zeitpunkt eine wirksame Vollmacht vor und geht der Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten auch zu, kann der Beginn der Klagefrist (mit Ablauf der Drei-Tages-Fiktion) nicht durch Widerruf der Vollmacht verhindert werden.“ (FG Münster vom 3.11.2021, 6 K 24/21 E,U,F). Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Bekanntgabe des Bescheids bei besonderer Veranlagung

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 4.12.2018 (Az: 11 K 1210/16) klargestellt, dass es keine gemeinsame Bekanntgabe von Einkommensteuerbescheiden an Ehegatten geben darf, nachdem diese durch Antrag auf besondere Veranlagung dargelegt haben, dass eine getrennte Steuererklärung gewünscht ist.

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Das „Aus“ für die Bekanntgabefiktion?

Viele Steuerberater und Steuerpflichtige haben es schon länger geahnt: Nicht jedes Schriftstück wird innerhalb kürzester Zeit zugestellt. Wenn Briefe am Freitag zur Post gegeben werden, erfolgt die Zustellung in vielen Bezirken erst am Dienstag oder Mittwoch und nicht am Samstag oder Montag. Auch wenn mir diesbezüglich genaues Zahlenmaterial nicht vorliegt: Ich denke jedoch, dass das „Problem“ insbesondere bei der Beauftragung von privaten Postdienstleistern besteht. Nun hat auch der BFH das „Problem“ erkannt und rüttelt gewaltig an der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Bekanntgabe bei Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post). Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden:

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