Beschränkung der betragsmäßigen Verlustverrechnung bei Termingeschäften – FG hat ernsthafte Zweifel

Verluste aus (gewissen) Kapitalanlagen sind aus Sicht des Fiskus Teufelszeug und sollen nach Möglichkeit nur eingeschränkt verrechnet werden können. Das hält die Finanzverwaltung selbstredend nicht davon ab, Gewinne vollumfänglich zu besteuern. Dieses Ungleichgewicht ist zum 1.1.2021 noch einmal verschärft worden, indem mit § 20 Abs. 6 Satz 5 geregelt wurde, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit maximal 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils auch nur in Höhe von maximal 20.000 Euro verrechnet werden. Wer mit seinen Termingeschäften also nur ein einziges Mal „richtig danebenlag“, muss schon extrem alt werden und jahrzehntelang Gewinne erzielen, um die vollständige Verrechnung des Verlustes erleben zu können.

Das FG Rheinland-Pfalz hat jetzt in einem AdV-Verfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung geäußert (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23).

Der Sachverhalt:

Ein Steuerpflichtiger erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus entsprechenden Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro berücksichtigte es lediglich in der Verlustfeststellung. Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beschränkung der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften hielt er für unzulässig. Er wies darauf hin, dass vom Bundesverfassungsgericht derzeit ohnehin geprüft werde, ob die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienverluste rechtens ist (2 BvL 3/21). Die Entscheidung werde präjudizierend auch für die Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften sein. Das FG gab dem AdV-Antrag statt.

Die Begründung:

Das FG habe nach vorläufiger Prüfung ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020. Die Vorschrift bewirke, dass Verluste aus Termingeschäften zwar nicht generell versagt, jedoch nur bei (späteren) Gewinnen aus Termingeschäften bzw. Stillhalterprämien und dann nur zeitlich gestreckt abgezogen werden dürfen. Die Vorschrift behandele damit Steuerpflichtige bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus Termingeschäften oder anderen Kapitalanlagen haben. Für diese Ungleichbehandlung fehle es an einem sachlichen Rechtfertigungsgrund. Dass es mehr oder weniger risikoreiche Kapitalanlagen gibt, rechtfertige noch nicht eine Verlustverrechnungsbeschränkung. Diese gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein kann.

Denkanstoß:

Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Auch hat das AdV-Verfahren bereits den BFH erreicht, denn die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. VIII B 113/23). Jedenfalls zeigt die Entscheidung, dass die – betragsmäßige – Beschränkung der Verlustverrechnung zweifelhaft ist. Entsprechende Fälle sollten daher bis auf Weiteres offen gehalten werden.

Petition zur steuerlichen Benachteiligung privater Anleger

Mit dem „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ ist nach langem Hin und Her eine Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften sowie bei Totalverlusten („Ausbuchung“) von Wertpapieren eingeführt worden. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hagelte es Kritik und die politischen Akteure waren sich alles andere als einig. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Änderung des § 20 Abs. 6 EStG in einem vollkommen „artfremden“ Gesetz verabschiedet worden ist (siehe hierzu den Blog: Gesetzgeber will das das Gesetz zur Mitteilung von Steuergestaltungen “missbrauchen”). Die Kritik wird nun lauter und dürfte angesichts der Corona-Krise auch zunehmend Gewicht bekommen.

Unter www.openpetition.de findet sich eine Online-Petition mit dem Titel „Initiative: Rücknahme der steuerlichen Benachteiligungen privater Anleger“. Diese ist eine gemeinschaftliche Initiative verschiedenster Finanzinformationsanbieter, Medienunternehmen, Anlegerportalbetreiber, Finanzsoftwareentwickler & Angehörige der Börsen, Anleger-Communities und anderen. Aus meiner Sicht ist diese gut begründet. Ziel der Petition ist es, die entsprechenden Regelungen, die mit dem genannten Gesetz eingeführt wurden, ersatzlos zu streichen.

Hier ein Auszug aus der Petition: „Was ein Gewinn ist, wird durch das Gesetz zum Nachteil der Anleger neu definiert. Positiv verlaufene Transaktionen werden anders behandelt als negativ verlaufene Transaktionen. Dies führt dazu, dass sogar dann Gewinnsteuern entrichtet werden müssen, wenn nach der bisherigen und einzig richtigen Definition gar keine Gewinne angefallen sind. Diese Asymmetrie folgt nicht nur keinerlei Logik, sondern ist auch geeignet, das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Staat zu unterminieren.“

In der Tat: Die Gesetzesänderung war ganz klar rein fiskalisch motiviert und folgte keinerlei anderen Logik. Der Wille des BFH wurde missachtet bzw. ausgehebelt. Man kann es auch anders sagen: Der Wille des „damaligen“ Gesetzgebers, der die Abgeltungsteuer im Jahre 2009 eingeführt hatte, wurde ausgehebelt. Meines Erachtens verdient die Petition daher durchaus Unterstützung.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich möchte diesen Blog nicht „missbrauchen“, um Steuerpolitik zu betreiben. Mir geht es an dieser Stelle nur darum, einer Verkomplizierung des Steuerrechts entgegenzutreten. Allerdings habe ich nur wenig Hoffnung, dass die Petition bei den politischen Akteuren Gehör finden wird. Der Steuerausfall gerade der Jahre 2020 und 2021 wäre bei einer Rücknahme der Gesetzesänderung zu groß und man muss kein Prophet sei, um die Lage der Staatsfinanzen dieser Jahre beurteilen zu können.

Ein Verlust ist ein Verlust und bleibt auch ein Verlust

Eigentlich sollte Steuerrecht doch eine einfach Sache sein: Von dem was reinkommt, zieht man Verluste bzw. dass was für das Reinkommende aufgewendet wurde ab und von dem Ergebnis X muss man seinen „Zehnten“ (oder auch ein bisschen mehr) an den Fiskus abtreten.  Weiterlesen