Wenn der Steuerfahnder vor der Türe steht: Ist eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung erlaubt?

Dürfen Steuerfahnder ohne Ankündigung an der Wohnungstür auftauchen, um Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer zu überprüfen, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich zur Auskunft gegenüber dem Finanzamt bereit ist? Mit dieser Frage hatte sich der BFH in einer aktuellen Streitsache zu befassen und zu entscheiden.

Mein Blogger-Kollege Christian Herold hat sich hierzu schon in seinem Beitrag „Dürfen “Flankenschützer” die Steuerzahler überrumpeln?“ geäußert. Dieser (Vor-)Fall hat es meiner Meinung nach „in sich“, so dass ich hier noch weitere Aspekte beisteuern möchte.

Zum Hintergrund

Als Geschäftsführerin eines Restaurants und als selbständige Unternehmensberaterin machte eine Steuerpflichtige bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit erstmalig Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Um eine finale Einschätzung vorzunehmen, wurde ihrerseits gegenüber den Finanzbeamten eine Skizze ihrer Wohnung eingereicht. Hierin war zwar ein Zimmer als Arbeitszimmer, indes jedoch kein Raum als Schlafzimmer eingezeichnet worden.

Da der Sachbearbeiter im Finanzamt die Skizze für nicht eindeutig hielt, wurde die Steuerfahndung um Mithilfe gebeten:  Die Besichtigung der Wohnung sollte vorgenommen werden.

Ein Steuerfahnder erschien entsprechend an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen; dies jedoch unangekündigt. Sodann betrat der Steuerfahnder unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung, ohne Widerspruch seitens der Steuerpflichtigen.

Im Anschluss erhob die Steuerpflichtige Klage, weil die Besichtigung der Wohnung rechtswidrig gewesen sei. Vorm Finanzgericht hatte sie keinen Erfolg; stellte dieses fest, dass aufgrund der Einwilligung der Steuerpflichtigen keine schwerwiegende Grundrechtsverletzung vorgelegen habe.

BFH widerspricht!

Im Revisionsverfahren widerspricht der BFH der Entscheidung des Finanzgerichts. Denn seitens der Steuerpflichtigen liege wegen einer Wiederholungsgefahr ein ausreichendes Feststellungsinteresse vor. Zudem war die Einschaltung des Steuerfahnders nicht erforderlich gewesen. Grundsätzlich war die Besichtigung durch den Steuerfahnder zwar geeignet, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die Maßnahme war jedoch keinesfalls erforderlich, da dem Finanzamt andere, mildere Mittel zur Verfügung standen. Angesichts des Schutzes der Wohnung sei eine Ortsbesichtigung erst dann erforderlich gewesen, wenn bei weiteren, seitens der Steuerpflichtigen erbrachten Auskünften Unklarheiten nicht durch weitere Auskünfte hätten aufgeklärt werden können. Die Steuerpflichtige hatte bei der Sachaufklärung mitgewirkt und es bestanden keinerlei Zweifel an ihrer steuerlichen Zuverlässigkeit.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt

Das Gericht stellte ferner fest, dass das Finanzamt bei seinen Ermessenserwägungen v.a. den Schutz der Wohnung zu berücksichtigen habe. Insbesondere sei eine Ortsbesichtigung unverhältnismäßig, wenn zuvor kein rechtliches Gehör gewährt wurde und der Steuerpflichtige nicht eine Gelegenheit hatte, derartige Nachweismöglichkeiten anzubieten, die weniger belastend sind als eine Besichtigung der Wohnung. Die vorherige Ankündigung sei daher – so das Gericht – unerlässlich. Unverhältnismäßig sei auch, dass die Ortsbesichtigung von einem Steuerfahnder – und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagung – durchgeführt wurde. Dieser werde regelmäßig als weniger belastend empfunden als der Steuerfahnder. Von Bedeutung ist die Feststellung des Gerichts, dass das Finanzamt trotz einer Einwilligung des Steuerpflichtigen zunächst weniger belastende Maßnahmen ergreifen müsse. Denn in der Praxis würde es häufig genügen, ein Foto einzureichen.

Schutz der Wohnung – und des häuslichen Arbeitszimmers

Mit seiner deutlichen Entscheidung bestätigt der BFH den Schutz der Wohnung, welcher auch für das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen in dessen Wohnung gilt. Die Handlungsbefugnisse der Finanzverwaltung sind unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu eruieren und nicht frei und ohne Hierarchie zu wählen. So oder so scheint zu gelten:  Eine Wohnungsbesichtigung ist grundsätzlich vorher anzukündigen.

Weitere Informationen:
BFH-Urteil vom 12.7.2022, VIII R 8/19


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