Was wird aus dem Lieferkettengesetz?

Am 5.6.2025 hat der Bundestag nach erster Lesung zwei Initiativen zur Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG) und der entsprechenden EU-Richtlinie (CSDDD) an die Ausschüsse überwiesen. Die Frage ist, ob und mit welchem Inhalt die Initiativen am Ende beschlossen werden.

Hintergrund

Das aktuelle LKSG gilt seit 1.1.2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten, seit 1.1.2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Die europäische Lieferketten-RL (CSDDD) wurde 2024 beschlossen und sollte ab 2027 gelten, doch die EU-Kommission hat Anfang 2025 entschieden, den ersten Stichtag für die Umsetzung um ein Jahr auf den 26.6.2028 zu verschieben, um den Mitgliedstaaten und den Unternehmen mehr Umsetzungszeit zu lassen. Darüber habe ich mehrfach im Blog berichtet.

Aktuelle Gesetzesinitiative im Bundestag

Mit der Initiative BT-Drs.21/329 will die AfD das LKSG mit sofortiger Wirkung abschaffen. Zur Begründung heißt es, das LKSG belaste deutsche Unternehmen und verursache volkswirtschaftliche Kosten, ohne einen messbaren Nutzen zu haben. Darüber hinaus habe die einseitige (deutsche) Einführung des LKSG dazu geführt, dass deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt einen spürbaren Wettbewerbsnachteil erleiden. Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert (BT-Drs. 21/340), sich „mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf EU-Ebene für die Abschaffung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)“ einzusetzen. Die beiden Vorlagen wurden zur weiteren Erörterung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen, der seinerzeit das LKSG-Gesetzgebungsverfahren begleitet hatte.

Bewertung und weitere Entwicklung

Die AfD-Vorschläge werden im weiteren Verfahren kaum eine reale Umsetzungschance haben. Im Koalitionsvertrag 2025 haben Union und SPD vereinbart, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abzuschaffen und durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung zu ersetzen. Die AfD-Vorhaben gehen aber weiter und sehen die Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes „mit sofortiger Wirkung“ vor. Dazu wird es kaum kommen. Auch die umgehende Aufhebung der CSDDD auf EU-Ebene ist kaum umsetzbar, schon deshalb nicht, weil SPD und Union in dieser Frage zerstritten sind und deshalb ein einhelliges Votum auf EU-Ebene zeitnah nicht möglich scheint.

Dennoch ist der Handlungsdruck der Regierung für eine Liberalisierung nicht nur mit Blick auf den Koalitionsvertrag groß, sondern vor allem, weil der Druck aus der Wirtschaft für einen spürbaren Bürokratieabbau anhält. Allein die mit LKSG und CSDDD einhergehenden Dokumentationspflichten produzieren eine Unmenge zusätzlicher Arbeitsstunden und damit bürokratiebedingte Zusatzkosten für die Wirtschaft – nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für viele kleine und mittelständische Unternehmen, die zwar nach den Buchstaben des LKSG nicht den gesetzlichen Verpflichtungen unterliegen, jedoch zur Einhaltung der Standards von ihren Auftraggebern angehalten werden. Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hätten bereits im Jahr 2023 fast ein Viertel (23 Prozent) der direkt vom LKSG betroffenen großen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten angegeben, sich aus Risikoländern zurückzuziehen oder dies zu planen. Bei den Unternehmen, die seit 2024 unter das LKSG fielen, hätten dies bereits 15 Prozent angegeben. Deshalb muss am Ende des Gesetzgebungsverfahrens auch jeden Fall die von den Koalitionspartnern versprochene Entlastung stehen.

Weitere Informationen:

 

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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