Hauptversammlungs-Saison in Corona-Zeiten: Unternehmen haben die Qual der Wahl

Was wir aus der derzeitigen Krise lernen sollten

Absagen und verschieben oder alternativ online oder virtuell? Unternehmen stehen derzeit vor der Qual der Wahl. Bei meiner Tätigkeit als Hauptversammlungssprecherin für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. habe ich diese Woche mit einigen Investor Relations-Abteilungen gesprochen. Was auffällt: Viele warten mit einer Entscheidung noch einige Tage ab, andere haben ihre Hauptversammlung bereits auf den Herbst verschoben oder planen die erstmalige Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung.

Herausforderungen für die Planung und den Aufsichtsrat

Die Mitarbeiter, die mit der Planung und Durchführung der Hauptversammlung beschäftigt sind, brauchen sie vor einem auf alle Fälle nicht zu fürchten: Keine Arbeit. Unabhängig davon, für welche Variante sich das Unternehmen entscheidet: Die Änderung ist mit viel Arbeitsaufwand verbunden. Bei einer virtuellen Umsetzung müssen sich die Verantwortlichen nicht nur um die Technik, sondern auch im Eiltempo die praktische Umsetzung bei der Fragen von Aktionären kümmern. Auch gibt es viele rechtliche Fragen wie beispielsweise die Abgabe von Stimmrechten oder aber die Anfechtbarkeit.

Die Einberufungsfrist wurde von 30 auf 21 Tage verkürzt. Allerdings muss der Aufsichtsrat des Unternehmens zustimmen. Das Aufsichtsgremium muss somit eine schnelle Entscheidung treffen, je nachdem, wie sich die weitere Lage entwickelt. Auch die Aufsichtsratssitzungen finden derzeit nur virtuell statt.

Online vs. virtuell: Was ist der Unterschied?

Bei einer Online-Hauptversammlung findet eine Live-Übertragung für die Aktionäre statt. Der Aufsichtsrat und Vorstand sind allerdings physisch anwesend – unter Berücksichtigung eins ausreichenden Corona-Sicherheitsabstandes.

Bei einer virtuellen Hauptversammlung erfolgt die Durchführung ohne physische Präsenz. Allerdings ist diese Regelung vorerst bis zum 31. Dezember 2021 beschränkt. Bayer plant als erstes DAX-Unternehmen die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung. Demonstranten werden sich hier nicht vor dem Veranstaltungsgebäude versammeln können. Neben einer Briefwahl können die Aktionäre am Tag der Hauptversammlung auch online abstimmen.

Aktionärsrechte: Fragen stellen bei einer virtuellen Hauptversammlung

Entscheidend ist in beiden Fällen die Frage, wie Aktionäre ihre Fragen stellen können. Auch bei den Reden der Aktionärsvertretern wird es in diesem Jahr anders sein als bisher. Ich hatte mich schon darauf gefreut, bei einer Präsenz-Hauptversammlung meine Rede halten zu können. Dies fällt vorerst leider flach.  Fragen müssen im Vorab eingereicht werden. Dies ersetzt die bisherige Anmeldung am Wortmeldetisch bei einer physischen Hauptversammlung. Es wird sich zeigen, wie dies mit kritischen Fragen sein wird. Spontane Fragen zu stellen wird damit leider unterbunden und ist aus Sicht des Aktionärsschutz nicht wünschenswert.

Eine Google-Recherche zeigt: Es gibt bereits Anbieter von Tools, mit Hilfe derer auch während der Hauptversammlung Aktionärsfragen sowohl gestellt als auch beantwortet werden können. Fraglich ist allerdings nur, ob die Unternehmen diese Möglichkeit im Eiltempo einführen können. Über einen Mangel an Herausforderungen können sich Unternehmen derzeit jedenfalls nicht beklagen.

Lessons learned – hoffentlich

Die Corona-Krise ist eine erhebliche Beschleunigung der Digitalisierung. Die derzeitige Krise sollte der Bundesregierung zeigen: Die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Umsetzung der digitalen Transformartion ist von entscheidender Bedeutung. Auch wenn die Durchführung einer Hauptversammlung wichtig ist. Hätte der Gesetzgeber bereits vor einigen Jahren entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, bliebe den Abgeordneten jetzt etwas mehr Zeit für andere Themen: Die Schwächeren in unserer Gesellschaft, die nun gesundheitlich sehr unter der derzeitigen Lage leiden und aufgrund der Dringlichkeit vieler anderer Themen möglicherweise sehr lange warten müssen.

Eine Hauptversammlungs-Saison, die wir alle nicht so schnell vergessen werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Trend zur virtuellen Hauptversammlung nicht nur eine vorübergehende Erscheinung ist. Beim Schutz der Aktionärsrechte und der Möglichkeit der Fragestellung während der Hauptversammlung gibt sicherlich noch einige Zeit viel Luft nach oben.


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