EU-Staaten einigen sich auf EU-Lieferketten-RL „light“

Am 15.3.2024 haben sich die EU-Mitgliedstaaten mit der erforderlichen Mehrheit auf eine (abgespeckte) EU-Lieferketten-RL geeinigt. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?

Hintergrund

Ich habe wiederholt im Blog berichtet: Seit 1.1.2023 gilt in Deutschland zum Schutz von Arbeits- und Menschenrechten sowie Umweltstandards in Lieferketten das Lieferkettengesetz (LKSG). Auf EU-Ebene hatte man sich im Dezember 2023 bereits auf eine EU-Lieferketten-RL (CSDDD) geeinigt, die dann aber aufgrund des deutschen Vetos im Ministerrat im Januar 2024 blockiert wurde. Seitdem wurde an Kompromisslösungen gearbeitet, um die CSDDD noch vor der Europawahl im Juni 2024 unter Dach und Fach zu bringen.

Was ist Inhalt der beschlossenen CSDDD „light“?

Betroffen von der am 15.3.2024 auf Botschafterebene beschlossen CSDDD sind „nur noch“ Unternehmen mit einer Größe ab 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro pro Jahr – nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten. Nach vier Jahren sinkt die Grenze auf 4000 Mitarbeiter und 900 Millionen Euro. Anders als das deutsche Lieferkettengesetz sieht die CSDDD bei einem Verstoß gegen die Prüfpflichten beim Schutz von Menschenrechten und Umweltschutzstandards auch eine zivilrechtliche Haftung vor. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf wurde also die CSDDD deutlich abgespeckt – sieht man von der verschärfenden zivilrechtlichen Haftung ab.

Wie ist der EU-Beschluss aus Sicht der deutschen Wirtschaft zu bewerten?

Positiv ist zwar, dass mit der künftigen CSDDD das „Inseldasein“ des deutschen LKSG sein Ende findet. Dennoch fürchten Wirtschaftsverbände und Wirtschaftsinstitute zum Nachteil deutscher Unternehmen eine weitere Zunahme überbordender Bürokratie. Die deutsche Wirtschaft tobt deshalb – meines Erachtens zu Recht. Auch wenn die CSDDD ihrem Anwendungsbereich auf große Unternehmen beschränkt, funktioniert die praktische Realität anders. Denn große Unternehmen geben die für sie geltenden Pflichten in Lieferketten in der Regel an ihre Zulieferer weiter. Damit erreicht die CSDDD faktisch künftig auch weite Teile des deutschen Mittelstandes bzw. KMU. Das ist lähmend für weiteres deutsches Wirtschaftswachstum. Besser wäre deshalb gewesen, das EU-Lieferkettenrecht mit Bedacht grundsätzlich zu überarbeiten und auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.

Wie geht’s weiter?

Die neue EU-Lieferketten-RL muss noch vom Ministerrat und vom Europäischen Parlament angenommen werden, das scheint jetzt nur noch eine Formsache zu sein. Die CSDDD könnte dann bereits dieses Jahr in Kraft treten und muss dann zwingend von den 27 EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Weitere Informationen:
Überarbeitung der EU-Lieferkettenrichtlinie wäre wünschenswert gewesen (dihk.de)

Update: EU-Lieferkettengesetz vor dem Aus?

Die FDP will im EU-Ministerrat „in letzter Minute“ die Verabschiedung der sog. EU-Lieferketten-Richtlinie blockieren. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Hintergrund

Ich hatte bereits im Blog berichtet: Die EU-Kommission hatte am 23.2.2022 den Entwurf einer RL zur nachhaltigen Unternehmensführung, den Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die neben Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auch menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten definiert. Betroffene Unternehmen müssen danach entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risiken ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten; dies gilt auch für vorgelagerte Ketten (z.B. Rohstoffabbau) wie nachgelagerte Ketten (Entsorgung).

Am 14.12.2023 hatten sich die Verhandlungsführer von EU-Rat und EU-Parlament über die CSDDD (sog. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt, deren Inhalt die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG, v. 16.7.2021, BGBl. I S.2159) noch verschärft; das deutsche LKSG müsste bei Umsetzung der EU-Lieferketten-RL angepasst werden.

Reichweite der unternehmerischen Verantwortung nach der CSDDD

Über das LKSG hinausgehend erfasst die CSDDD folgende Unternehmen: Weiterlesen

Neuerungen beim Lieferkettengesetz ab 2024

Ab 1.1.2024 erfasst das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) auch Unternehmen, die regelmäßig mindestens 1000 Mitarbeiter/innen beschäftigen. Da betroffene Unternehmen auch ihre (kleineren) Zulieferer und Vorlieferanten vertraglich auf die Einhaltung der LKSG-Spielregeln verpflichten, steigt die Zahl der faktisch vom LKSG betroffenen Unternehmen deutlich an und führt zu mehr Bürokratie in den Betrieben.

Hintergrund

Seit 1.1.2023 stellt das Lieferkettensorgfaltspflichtengsetz verbindliche Sorgfalts- und Handlungspflichten für deutsche Unternehmen bei der Beachtung von Menschenrechten, Arbeitsschutz und Umweltschutzstandards auf. Seit 1.1.2023 verpflichtete das LKSG Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten. Hiervon sind aktuell rund 900 deutsche Unternehmen betroffen.

Anwendungsbereich ab Januar 2024 erweitert

Seit 1.1.2024 ist der persönliche Anwendungsbereich des LKSG deutlich erweitert: Das Gesetz gilt jetzt für Unternehmen, die 1000 Mitarbeiter und mehr beschäftigen. Hierbei gilt das Pro-Kopf-Prinzip. Die Definition in § 611a BGB unterscheidet nicht zwischen teilzeitbeschäftigten und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Noch mehr Unternehmen werden erfasst, wenn die EU-Lieferketten-Richtlinie final beschlossen und dann von den Mitgliedstaaten der EU umgesetzt wird: Weiterlesen

Nochmals: Lieferkettengesetz kommt – Bedenken bleiben!

Am 25.6.2021 hat der Bundesrat das vom Bundestag am 11.6.2021 beschlossene Lieferkettengesetz (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) durch Verzicht auf ein Vermittlungsverfahren gebilligt. Dennoch: Bedenken gegen das politisch hoch umstrittene Gesetz bleiben.

Hintergrund

Deutsche Unternehmen sind umfassend auf globalen Beschaffungs- und Absatzmärkten unterwegs. Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten will sicherstellen, dass Unternehmen in Lieferketten ihrer Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten gerecht werden. Hierzu legt das neue Gesetz Anforderungen an eines verantwortliches Risikomanagement für Unternehmen bestimmter Größenordnung fest, Unternehmen müssen festlegen, wer im Unternehmen zuständig ist, das Risikomanagement zu überwachen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wird mit Eingriffsbefugnissen ausgestattet. Auch der Umweltschutz ist erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Einzelheiten finden Sie hier: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0401-0500/0495-21.html

 Bewertung der Auswirkungen in der Unternehmenspraxis

Bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden führt das neue Gesetz nach wie vor mindestens zu großer Skepsis. Unternehmen werden ab 2023 erweiterte Pflichten bezüglich ihrer Lieferanten auferlegt. Das führt auch zu weiteren Herausforderungen bei den rechts- und steuerberatenden Berufen bei der Beachtung von Berichterstattungspflichten in Lieferketten. Weiterlesen