Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf

Für jedes Kind, das steuerlich zu berücksichtigen ist, haben Eltern grundsätzlich Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (bzw. Kindergeld). Zusätzlich gibt es einen Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung (BEA-Freibetrag) für alle Kinder bis zum 25. Lebensjahr, für das Kindergeld gezahlt wird bzw. ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag besteht. Jedem Elternteil steht grundsätzlich die Hälfte des Kinderfreibetrages und des BEA-Freibetrages zu, sofern er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Also erhalten geschiedene sowie nicht miteinander verheiratete Eltern die steuerlichen Freibeträge jeweils zur Hälfte.

Der BEA-Freibetrag kann für minderjährige Kinder von einem Elternteil auf den anderen Elternteil übertragen werden. Es genügt ein Antrag des betreuenden Elternteils (§ 32 Abs. 6 Satz 8 EStG). Der betreuende Elternteil kann also den vollen BEA-Freibetrag in Höhe von 2.640 EUR beanspruchen. Seit 2012 ist es zulässig, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung des BEA-Freibetrages widersprechen kann, wenn er Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. In diesem Fall ist eine Übertragung des BEA-Freibetrages auf einseitigen Antrag des betreuenden Elternteils nicht mehr möglich (§ 32 Abs. 6 Satz 9 EStG). Die Frage ist: Wann liegt eine Betreuung „in nicht unwesentlichem Umfang“ vor? Mit dieser Frage musste sich jüngst das Niedersächsischen FG befassen und hat wie folgt entschieden:

Ein Vater, der seinen bei seiner geschiedenen Ehefrau lebenden minderjährigen Sohn entsprechend dem vereinbarten Umgangsrecht nahezu an jedem zweiten Wochenende abholt und betreut, leistet einen nicht unwesentlichen zeitlichen Betreuungsanteil i.S.v. § 32 Abs. 6 Satz 9 Alt. 2 EStG und kann damit der Übertragung des ihm zustehenden BEA-Freibetrags auf die Kindesmutter wirksam widersprechen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19. 2.2020, 9 K 20/19).

Im Streitfall hatte der Kindesvater mit seiner geschiedenen Ehefrau (Kindesmutter) ein Umgangsrecht dergestalt vereinbart, dass er seinen Sohn in einem wöchentlichen Rhythmus jedes zweite Wochenende samstags um 10.00 Uhr abholt und sonntags um 16.00 Uhr zurückbringt. Die einfache Entfernung zwischen den Wohnorten betrug 163 km. Vergeblich begehrte der Vater die Berücksichtigung des BEA-Freibetrags. Das Finanzamt war der Meinung, der geltend gemachte Betreuungsumfang (2016: 45 Tage; 2017: 55 Tage) sei nicht ausreichend.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Es bestünden aus Vereinfachungsgründen keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 Prozent von einem ausreichenden Betreuungsumfang auszugehen. Maßgebend sei insoweit das BFH-Urteil vom 8.11.2017 (III R 2/16, BStBl II 2018, 266).

Im Streitfall war zwischen den Beteiligten streitig, wie die 10 Prozent-Grenze in zeitlicher Hinsicht zu bestimmen ist und ob in diesem Zusammenhang auch Tage voll mitzählen, an denen das Kind nur einen Teil des Tages betreut wird. Das FG hat diese Frage zugunsten des Vaters bejaht. Einzelne Betreuungstage zählen danach zur Bestimmung eines wesentlichen Betreuungsumfangs auch dann mit, wenn die Betreuungszeit nicht volle 24 Stunden umfasst. Dies gelte jedenfalls für den Fall, dass die Betreuungszeit deutlich mehr als 12 Stunden beträgt und damit über reine Besuchszwecke deutlich hinausgehe. Alles andere würde auf eine stundengenaue Protokollierung hinauslaufen und damit dem vom BFH mit der festgelegten Wesentlichkeitsgrenze von 10 Prozent verfolgten Vereinfachungszweck zuwiderlaufen.

Im Übrigen sei die große Entfernung zwischen den Wohnorten von Vater und Mutter zu würdigen. Sie erschwere einen höheren Betreuungsanteil wegen der Arbeitsverpflichtung unter der Woche und beschränke die Betreuungszeiten in der Regel auf die Wochenenden.

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