Wiedereinsetzung: Was ist bloß der Kern?

Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist in ein Rettungsanker, der hilft ein Versäumnis ungeschehen zu machen. Klar, dass die Anforderungen seitens des Finanzamtes streng sind. Man kann es aber auch übertreiben.

In einem Streitfall vor dem Niedersächsischen FG (Az: 9 K 178/14) musste das Gericht über einen Sachverhalt entscheiden, in dem ein Schriftstück eines Steuerberaters verspätet beim Finanzamt eingegangen ist. Grund war eine verlängerte Postlaufzeit.

Alles in allem ein typischer Fall für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, also jetzt bloß keinen Fehler beim Wiedereinsetzungsantrag machen! Daher legte der Berater innerhalb der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 AO dar, dass besagtes Schriftstück durch einen Mitarbeiter ausreichend zeitig zur Post gegeben wurde. Darlegen allein reicht natürlich nicht, Beweise müssen her, weshalb der Berater mit einer Kopie des Postausgangsbuchs seine Darlegung untermauerte.

Sollte also alles klar sein, oder? Der Fiskus sah dies anders und verweigerte die Wiedereinsetzung. Begründung: Der Kern des Grundes für Wiedereinsetzung sei innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist damit nicht ausreichend genug dargelegt.

Warum? Ich weiß es nicht und das erstinstanzlich FG offensichtlich auch nicht, denn die Richter gewährten die Wiedereinsetzung. Ihrer Meinung nach ist der Kern des Wiedereinsetzungsgrundes „Rechtzeitige Absendung/Postlaufverzögerung“ eindeutig zu entnehmen. Ausdrücklich führen die Richter aus, dass die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten, den Brief auch tatsächlich versandt zu haben, auch noch im Klageverfahren (und damit außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist) für die Wiedereinsetzung unschädlich ist.

Dies deckt sich aus meiner Sicht auch mit dem Gesetzeswortlaut in § 110 Abs. 1 und 2 AO: „War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (…) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.“

Dennoch legte das Finanzamt die Revision ein, weshalb nun der BFH klären muss, ob der Kern des Wiedereinsetzungsgrundes ausreichend schlüssig dargelegt ist oder ob der Steuerberater noch weitere Tatsachen hätte vortragen müssen. Noch fraglicher ist allerdings, ob das Finanzamt hier wirklich den Kern oder vielmehr das sprichwörtliche Haar in der Suppe sucht.

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