Minijob neben Hauptjob: Nicht beim gleichen Arbeitgeber!

In der Praxis ist immer wieder der Fall zu beobachten, dass ein Mitarbeiter mit einem sozialversicherungspflichtigen Hauptjob von seinem Arbeitgeber gefragt wird, ob er sich etwas hinzuverdienen möchte, in dem er auch in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers nebenberuflich tätig wird. Der Zweitjob soll dann als Minijob “abgerechnet” werden, also als geringfügige Beschäftigung gelten und lediglich mit Pauschalabgaben belastet werden.

Im Jahre 2003 gab es dazu folgendes Urteil des FG Münster: Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers innerhalb zweier verschiedener Betriebe desselben Inhabers sind nicht als einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen (FG Münster, Urteil vom 21.2.2003, 11 K 1158/01 L, EFG 2003 S. 864). Soweit ersichtlich haben die Sozialversicherungsprüfer die Sache allerdings strenger gesehen und ganz überwiegend – wenn nicht gar immer – die Auffassung vertreten, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.

Insofern stand die Münsteraner Entscheidung auf etwas tönernen Füßen. In einem aktuellen Urteil distanziert sich auch das FG Berlin-Brandenburg von dem Urteil der Kollegen aus Westfalen. Der Tenor des Urteils lautet eindeutig: Weiterlesen

Sammelpunkt ist nicht gleich Sammelpunkt

Fahren Arbeitnehmer täglich zu einem Sammelpunkt, um von dort mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers zur Baustelle oder zu den Kunden zu fahren, so sind die Fahrten zum Sammelplatz nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig. Etwas förmlicher und genauer ausgedrückt: Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).

Wie wir bereits im Jahre 2021 durch ein BFH-Urteil erfahren haben, kommt den Wörtern “typischerweise arbeitstäglich” durchaus eine große Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/21). Weiterlesen

Weiträumiges Tätigkeitsgebiet – ein seltsames Steuergebilde

Ich kenne den Hamburger Hafen lediglich von einer Hafenrundfahrt und den Hafen Bremerhaven nur von einem ganz kurzen Aufenthalt. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass beide Hafengebiete enorm groß sind und steuerlich daher als weiträumige Tätigkeitsgebiete i.S. des § 9 Abs. 1 S 3 Nr. 4a EStG gelten, wenn Arbeitnehmer im Hafengebiet eingesetzt werden. Das Niedersächsische FG musste sich in jüngster Zeit mit beiden Häfen beschäftigen, also mit der Frage, ob Arbeitnehmer in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeiten.

Im Jahre 2021 haben die Richter entschieden, dass ein Hafenarbeiter des Hamburger Hafens in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeitet. Dies gilt auch dann, wenn er von seinem Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen Einzelbetrieben auf dem Gebiet des Hamburger Hafens eingesetzt wird. Folglich werden die Fahrten zu dem nächstgelegenen Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt (Urteil vom 3.2.2021, 4 K 11006/17). Es wurde allerdings die Revision zugelassen, die beim Bundesfinanzhof unter dem  Az. VI R 4/21 vorliegt. Um den Abzug von Verpflegungspauschalen ging es in dem Verfahren übrigens nicht.

Jüngst ging es um das Gebiet des Hafens von Bremerhaven. Weiterlesen

Gruppenversicherung für Arbeitnehmer: Einhaltung der 50-Euro-Grenze trotz Beitragsvorauszahlung?

Beiträge zu einer Gruppenkrankenversicherung für Arbeitnehmer gelten als Sachlohn, wenn der jeweilige Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann (BFH 14.4.2011, VI R 24/10). Wenn die – monatliche – Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG von 50 Euro bzw. früher 44 Euro nicht überschritten wird, bleiben die Beiträge zu einer entsprechenden (Zusatz-)Krankenversicherung steuerfrei.

Die Einhaltung der Freigrenze setzt allerdings voraus, dass der jeweilige Vorteil tatsächlich monatlich bis zu dieser Höhe gewährt wird. Anders ausgedrückt: Wird dem Arbeitnehmer zum Beispiel gleich im Januar ein Vorteil im Wert von 600 Euro gewährt, so darf dieser nicht rechnerisch auf zwölf Monate verteilt werden, sondern muss – weil er 50 Euro übersteigt – im Januar voll versteuert werden. Diese bittere Erfahrung mussten schon zahlreiche Arbeitnehmer und Arbeitgeber machen.

Etwas Schützenhilfe brachte der BFH mit seinem “berühmten” Urteil zu Firmenfitness-Programmen: Weiterlesen

Wenn der Arbeitgeber das Handy des Arbeitnehmers ankauft

Nach § 3 Nr. 45 EStG sind die Vorteile eines Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Telekommunikationsgeräten steuerfrei. In LStH H 3.45 findet sich dazu aber das folgende Beispiel, das offenbar als Abschreckung gelten soll:

Der Arbeitgeber “kauft“ vom Arbeitnehmer ein Mobiltelefon zu einem nicht marktüblichen Preis von zum Beispiel 1 Euro und stellt es anschließend dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung zur Verfügung. Die Verbindungsentgelte des Arbeitnehmers werden nach dem “Kauf“ vom Arbeitgeber übernommen. Eine Steuerbefreiung der Verbindungsentgelte nach § 3 Nr. 45 EStG kommt nicht in Betracht, da der Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht standhält und es sich somit bei der Zurverfügungstellung des Mobiltelefons nicht um ein betriebliches Telekommunikationsgerät des Arbeitgebers handelt.

Interessanterweise hat es genau dieses Modell bis vor den BFH geschafft und dort sein “O.K.” erhalten. LStH H 3.45 ist also hinfällig. Die Steuergestaltung gilt als zulässig. Der geldwerte Vorteil aus der Überlassung der Handys und der Übernahme der Verbindungsentgelte ist nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei (BFH-Urteile vom 23.11.2022, VI R 49/20, VI R 50/20, VI R 51/20).

Der Sachverhalt soll hier nicht weiter dargestellt werden, da er fast mustergültig dem oben genannten Beispiel entspricht. Bedeutender ist die Begründung des BFH, denn die hat es in sich. Weiterlesen

Behördliche Erstattung von Corona-Verdienstausfallentschädigung: BMF macht Zugeständnis bei lohnsteuerlicher Abrechnung

Mit Schreiben vom 25.1.2023 (IV C 5 – S 2342/20/10008:003) hat das BMF zur lohnsteuerlichen Abrechnung behördlicher Erstattungsbeträge für Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Stellung genommen. Gut für die Lohnversteuerung der Arbeitgeber: Das BMF hat eine Nichtbeanstandungsregelung verfügt.

Hintergrund

Arbeitnehmer, die sich während der Corona-Pandemie – ohne krank zu sein – auf Anordnung des Gesundheitsamts als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in Quarantäne begeben müssen oder einem Tätigkeitsverbot unterliegen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls im Regelfall eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG. Auch Arbeitnehmer, die aufgrund der vorübergehenden Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ihre Kinder oder behinderte Menschen selbst beaufsichtigen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 1a IfSG eine Entschädigung.

Die Verdienstausfallentschädigung ist für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, zu zahlen. Die Zahlung der Verdienstausfallentschädigung leistet der Arbeitgeber für die Entschädigungsbehörde. Die gezahlte Verdienstausfallentschädigung wird dem Arbeitgeber auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet.

Welche Probleme stellen sich in der Praxis? Weiterlesen

Steuermodell Kennzeichenwerbung: Haftungsgefahren für Arbeitgeber nun sehr konkret!

Viele Jahre ging folgendes Steuermodell gut: Der Arbeitnehmer bringt einen Werbeaufkleber des Arbeitgebers an seinem privaten Pkw an und erhält dafür von seinem Arbeitgeber eine Vergütung von bis zu 255 Euro pro Jahr. Diese Vergütung wird nicht als Arbeitslohn betrachtet, vielmehr soll es sich um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG handeln, die bei Unterschreiten der Freigrenze von 256 Euro steuerfrei bleiben.

Wie fast immer bei solch schönen Gestaltungen wurde auch diese – zu sehr – auf die Spitze getrieben. Viele Arbeitgeber haben sich damit begnügt, ihren Mitarbeitern 255 Euro allein dafür zu zahlen, dass diese eine Kennzeichenhalterung mit dem Logo des Arbeitgebers an ihrem privaten Pkw anbringen. Zuweilen ist der Betrag nicht einmal “on top”, sondern nur im Wege der Gehaltsumwandlung gezahlt worden. Oder es wurden “Gehaltserhöhungen mit Rückfallklauseln“ vereinbart.

Jedenfalls wurden die Lohnsteueraußenprüfer – und auch die Sozialversicherungsprüfer – zunehmend misstrauischer und es kam zu ersten Gerichtsverfahren. Weiterlesen

Das Neun-Euro-Ticket: Welche lohnsteuerrechtlichen Folgen ergeben sich laut neuem BMF-Schreiben?

Das Neun-Euro-Ticket ist seit diesem Monat am Start. Was müssen Arbeitgeber beachten, die ihre Mitarbeiter finanziell unterstützen?

Zuschüsse des Arbeitgebers…

Seit dem 01.06.2022 ist es im Einsatz: Das sog. Neun-Euro-Ticket. Mit seiner Hilfe sollen Pendler, die Bus und Bahn nutzen, entlastet werden. Das für die nächsten drei Monate geltende Ticket für den ÖPNV ist deutschlandweit einsetzbar. Bedeutung kommt dem neuen Ticket auch in der buchhalterischen Erfassung von Arbeitgeberleistungen zu, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.

Solche Zuschüsse können gem. § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei gewährt werden, soweit der Zuschuss des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers – und zwar einschließlich der Umsatzsteuer – für die Fahrberechtigungen nicht übersteigen.

…laut neuem BMF-Schreiben jahresbezogen

Für das aktuelle Jahr 2022 gewährt das BMF mit einem neuen Schreiben (vom 30.05.2022) nun eine Vereinfachung. Demnach wird es ermöglicht, dass die Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel in den Kalendermonaten Juni, Juli und August übersteigen.

Allerdings gilt dies nur dann, wenn die Zuschüsse bezogen auf das ganze Kalenderjahr 2022 die Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht übersteigen.  Weiterlesen

Führt die Erstattung von Parkgebühren zu Arbeitslohn?

Angenommen, Sie und Ihr Nachbar haben Ihre Arbeitsplätze im Zentrum einer Großstadt. Sie mieten einen Parkplatz an, erhalten die Parkgebühren aber von ihrem Arbeitgeber erstattet. Ihr Nachbar kann von vornherein einen Parkplatz kostenlos nutzen. Nehmen wir weiter an, dass die Parkgebühren und der Wert des kostenlos nutzbaren Parkplatzes bei jeweils 100 Euro im Monat liegen.

Würden Sie es dann als gerecht empfinden, wenn Sie die Kostenerstattung Ihres Arbeitgebers der Lohnsteuer (und der Sozialversicherung) unterwerfen müssen, während Ihr Nachbar keinen Cent versteuern muss? Dass Sie also am Ende des Monats 40 oder 50 Euro weniger in der Tasche haben als Ihr Nachbar? Und der Nachbar möglicherweise nur zehn Schritte vom Parkplatz bis ins Bürogebäude gehen muss und Sie vielleicht 500 Meter zurücklegen müssen?

Nun, gerecht ist das wohl nicht. Richtig ist es aber schon.

Zum Hintergrund: Arbeitnehmer dürfen ihre Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend machen. Damit sind alle gewöhnlichen Aufwendungen abgegolten, und zwar auch die Parkgebühren für das Abstellen des Kraftfahrzeugs während der Arbeitszeit. Weiterlesen

Langzeitvergütungsmodelle sind steuerbegünstigt

Heute möchte ich Ihnen in aller Kürze eine BFH-Entscheidung vorstellen, die sowohl für AO- als auch für Lohnsteuer-Liebhaber einige Leckerbissen bereithält. Es geht darum, dass das Finanzamt eine einmal erteilte Anrufungsauskunft später nicht so einfach wieder aufheben kann. Und zum anderen ist das Urteil von Interesse, weil es aufzeigt, dass so genannte Langzeitvergütungsmodelle der Fünftel-Regelung unterliegen können.

Immer häufiger werden mit Führungskräften so genannte Langzeitvergütungsmodelle, neudeutsch Long Term Incentive Modelle (LTI) vereinbart. Bei diesen werden die Leistungen der Arbeitnehmer nicht nur für ein Jahr bewertet und entlohnt, sondern vielmehr über mehrere Jahre. Das Hessische FG hatte zu einem derartigen LTI entschieden, dass die Zahlungen des Arbeitgebers tarifbegünstigt sind, wenn die jeweilige zusammengeballte Zahlung durch wirtschaftlich vernünftige Gründe gerechtfertigt ist (Urteil vom 11.4.2019, 6 K 306/18). Der BFH hat diese Entscheidung bestätigt (BFH-Urteil vom 2.9.2021, VI R 19/19).

Der – etwas vereinfacht dargestellte – Sachverhalt: Weiterlesen