Entschärfung der Überschuldung durch ein SanInsKG

Inzwischen sind wir in einer Krisendauerschleife und die Meinungen sind geteilt, ob wir ein zielgerichtetes, wirksames und zeitgerechtes Krisenmanagement auf politischer Ebene haben. Gerade die sich absehbar verschärfenden Energieprobleme und der Dunst über Stützungsmaßnahmen lassen für einige Unternehmen das Überleben zweifelhaft erscheinen. Nun will die sog. „Ampel“ an dem Symptom Insolvenz herumdoktern.

Das Instrument der temporären Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und inhaltlichen Veränderung der Antragsvoraussetzungen erfreut sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Zu denken ist hier insbesondere an das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG), das nun als Vehikel zum Umgang mit erhöhten Insolvenzrisiken durch die aktuell unbewältigte Krisensituation dienen soll. Technisch erfolgt die Anpassung durch eine Formulierungshilfe der Bundesregierung zum im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters.

Zunächst soll das COVInsAG in ein Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) umbenannt werden. Inhaltlich soll mit § 4 Abs. 2 SanInsKG-E der Eröffnungsgrund der Überschuldung für ein Insolvenzverfahren, zunächst begrenzt bis zum 31.12.2023, entschärft werden. Hierzu ist vorgesehen Weiterlesen

Aussetzung der Insolvenzantragsfrist endet – Droht jetzt eine Insolvenzwelle?

Am 30.4.2021 endete die durch das CovInsAG mit Rücksicht auf die Corona-Krise geltende Aussetzung der Insolvenzantragsfrist bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Was Schuldner und Gläubiger jetzt beachten sollten.

Kurz zum Hintergrund

Bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit besteht nach § 15 a InsO, § 42 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags beim zuständigen Insolvenzgericht. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das CovInsAG wurde letztes Jahr als Hilfsmaßnahme für die von der Corona-Krise getroffenen Unternehmen eingeführt. Seit Oktober war der Anwendungsbereich eingeschränkt und galt nur noch in Fällen, in denen zwar eine Überschuldung, aber noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten war. Im Januar 2021 erfolgte dann eine Verlängerung und Begrenzung – allerdings für beide Insolvenzgründe -, wenn die Unternehmen einen Anspruch auf Corona-Finanzhilfen haben, deren Auszahlung noch aussteht und die Hilfen zur Abwendung der Insolvenz geeignet sind (§ 1 Abs. 3 S. 1, 2 CovInsAG).

Insolvenzantragspflicht nur unter Einschränkungen ausgesetzt

Auch unter Geltung des CovInsAG war die Insolvenzantragspflicht allerdings nur unter Einschränkungen ausgesetzt: Weiterlesen

Insolvenzantragfrist verlängert: Die Insolvenz kann warten…!

Am 17.12.2020 hat der Bundestag Änderungen beim Insolvenzrecht beschlossen, denen der Bundesrat am 18.12.2020 zugestimmt hat; sie sollen ab 1.1.2021 in Kraft treten. In diesem Zuge wird auch die Drei-Wochen-Frist für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung bis 31.1.2021 verlängert. Wie ist das zu bewerten?

Besser wäre jetzt eine schnelle Reform des Insolvenzrechts „aus einem Guss“.

Hintergrund

Nach der Insolvenzordnung (InsO) muss ein Schuldner grundsätzlich innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht stellen, wenn Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen steigt nach mehr als neun Monaten wirtschaften unter schwierigen Corona-Pandemie-Bedingungen mit mehrfach verhängtem Lockdown, bei dem die Geschäfte schließen müssen und gravierende Umsatzeinbrüche die Folge sind. Wie lange halten das Unternehmen in der aktuellen Situation noch aus, wenn die vom Bund versprochenen schnellen und unbürokratischen Corona-Finanzhilfen ausbleiben?

Fristverlängerung für Insolvenzanträge: Ausnahmevorschriften des COVInsAG

Bereits durch das COVInsAG, das Bestandteil Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (v. 27.3.2020, BGBl. I S. 569) war, ist die Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit rückwirkend ab 1.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt worden. Um Unternehmen, die bedingt durch die Corona-Pandemie insolvenzgefährdet sind, auch weiterhin die Möglichkeit zu geben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren, wird die Insolvenzantragspflicht weiterhin ausgesetzt (BT-Drs. 19/22178), jedoch nur noch für Unternehmen, die pandemiebedingt „überschuldet“, aber nicht „zahlungsunfähig“ sind. Hierzu sind später §§ 1, 2 COVInsoAG geändert worden, indem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in den Fällen der Überschuldung für den Zeitraum vom 1.10.2020 bis zum 31.12.2020 verlängert wurde (BGBl 2020 I S. 2016).

Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG)

Änderungen beim Sanierungs- und Insolvenzrecht waren schon länger geplant. Mit dem jetzt am 17.12.2020 vom Bundestag beschlossenen Gesetz soll die Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 vom 20.6.2019 (ABl 2019 Nr. L 172 S. 18) in deutsches Recht umgesetzt werden. Außerdem soll mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine Fortentwicklung des geltenden Insolvenzrechts erfolgen, ich hatte dazu schon im hier im Blog berichtet. Mit dem neuen Gesetz wird die Aussetzung der dreiwöchigen Antragsfrist über den 31.12.2020 hinaus um einen Monat bis 31.1.2021 verlängert, allerdings nur für bestimmte „überschuldete“ Firmen.

Der neue § 1 Abs. 3 COVInsAG sieht jetzt insbesondere vor, dass die Antragspflicht (nur) für solche Unternehmen ausgesetzt wird, die staatliche Hilfeleistungen erwarten können. Voraussetzung ist also, dass diese Unternehmen Anträge auf staatliche Hilfsleistungen im Zeitraum vom 1.11. bis zum 31.12.2020 gestellt haben (November- bzw. Dezember-Hilfen) bzw. aus technischen Gründen bisher nicht stellen konnten.

Worauf Unternehmen jetzt achten müssen

Die Geschäftsleitungen der Unternehmen sollten jetzt bei „Zahlungsunfähigkeit“ die Drei-Wochen-Frist für den Eröffnungsantrag unbedingt beachten. Bei drohender „Überschuldung“ sollten die pandemiebedingten Gründe für die Krise zu Nachweiszwecken unbedingt schriftlich dokumentiert werden. Und schließlich ist zu prüfen, ob ein Antrag auf Auszahlung von staatlichen Hilfen bis zum 31.12.2020 (oder im Verlängerungszeitraum für die November-/Dezemberhilfe bis 31.1.2021) gestellt wird, um auch den Aufschub der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung noch bis zum 31.01.2021 nutzen zu können.

Bewertung der Fristverlängerung

Zugegeben: Die offiziellen Insolvenzzahlen spiegeln derzeit noch nicht die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie wider: Ende Juli 2020 verzeichnete das Statistische Bundesamt mal gerade 1369 Insolvenzanträge, das entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 16,9 Prozent, bezogen auf die ersten sieben Monate im Jahr 2020 ein Minus von 7,8 Prozent.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass staatliche Transferleistungen, wie das Kurzarbeitergeld oder Corona-Finanzzuschüsse, etliche Unternehmen am Leben halten, . wegen der verzögerten Auszahlung von November-/Dezemberhilfen sowie Überbrückungshilfen vermutlich auch noch Anfang des Jahres 2021.

Aber was passiert, wenn diese Corona-Zuschussprogramme beendet sind?  Dann ist von einer Marktbereinigung auszugehen, weil viele Unternehmen nicht mehr das werden aufholen können, was sie während Lockdown-Zeiten an Boden verloren haben. So betrachtet wird die Verlängerung der Antragsfrist bis Ende Januar für viele zu einer „Galgenfrist“ – leider!

Quellen

Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts – besser aus einem Guss!

Mit dem Referentenentwurf des BMJ soll die Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 vom 20.6.2019 (ABl 2019 Nr. L 172 S. 18) in deutsches Recht umgesetzt werden. Außerdem soll mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine Fortentwicklung des geltenden Insolvenzrechts erfolgen. Besser wäre jetzt eine schnelle Reform des Insolvenzrechts „aus einem Guss“.

Hintergrund

Nach geltendem Recht fehlt es in Deutschland bislang an konkreten verfahrensrechtlichen Vorgaben für die Durchführung und Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Angesichts der Corona-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen besteht eine besondere Verantwortung für den Erhalt der von Insolvenz bedrohten Unternehmen. Es besteht die Gefahr, dass nach Ablauf der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Fälle der Zahlungsunfähigkeit zum 30.9.2020 und für Fälle der Überschuldung zum 31.12.2020 durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) durchaus mit einer steigenden Zahl von Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage gerechnet werden kann. Noch nicht erledigt ist auch der Gesetzentwurf zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Das neue Sanierungs- und Insolvenzrecht soll bereits zum 1.1.2021 in Kraft treten.

Wie ist der aktuelle Gesetzgebungssachstand im Insolvenzrecht? Weiterlesen

Corona-bedingte Aussetzung des Insolvenzeröffnungsgrundes „Überschuldung“

Reform des Überschuldungsbegriffs durch das SanInsFoG – Braucht man die Überschuldung überhaupt noch?


Mit Unterschrift des Bundespräsidenten erfolgt die Änderung des COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetzes (COVInsAG). Ziel ist eine Verlängerung des Verzichts auf eine Antragspflicht bei Vorliegen der Überschuldung bis zum Ende des Jahres 2020. Es soll vorübergehend vermieden werden, dass derzeit zahlungsfähige Unternehmen bedingt durch die Coronakrise zu einem Insolvenzantrag gezwungen werden.

Da der Insolvenzgrund der Überschuldung seit Anfang März 2020 insgesamt doch recht lange ausgesetzt sein wird, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es dieses Insolvenzgrundes überhaupt bedarf oder ob man ihn einfach aufheben könnte? Weiterlesen