Kreditvergabe à la Wirecard: Früher Ölhändler, heute Zwischenfinanzierer

Selbst Bedienung von Krediten beeinträchtigt Kreditvergabe nicht

Kredite in dreistelliger Millionenhöhe. Voraussetzungen? Eigentlich keine. Fristgerechte Begleichung der Kreditrate, Informationen über den Einsatz des Kapitals – bei Wirecard schien alles möglich zu sein. Überraschend? Keinesfalls. Denn irgendwohin muss das Geld, das Wirecard von Banken eingesammelt hat, ja geflossen sein. An die Anleger zumindest nicht. Versprechungen gab es viele, nur hat sich diese nicht in der Zahlung einer hohen Dividende widergespiegelt.

Im aktuellen Prozess in München kommen immer weitere Details ans Licht. Eine der neueren Erkenntnisse ist die Kreditvergabe an die Partnerfirma Ocap in Singapur. Knapp vier Jahre nach dem Zusammenbruch Wirecards wird es auch mal Zeit, dass das Thema Haftung für Vorstand und Aufsichtsrat auf die Agenda kommt. Denn diese tragen hier die Verantwortung. Jeder kleine Kreditnehmer muss sich ausziehen und alles offenlegen. Bei Wirecard schien selbst die Verweigerung der Wirecard Bank der Kreditvergabe an Ocap nicht ausgereicht haben, um den Vorstand am Abfluss einer dreistelligen Millionensumme für eine kreditunwürdige Gesellschaft im Ausland zu hindern. Und dass bei einer doch eher ungewöhnlichen Änderung des Geschäftsmodells. Weiterlesen

Folgen des Wirecard-Skandals: Die schwierige Suche nach einem neuen Abschlussprüfer

„Demnächst steht bei uns der Wechsel des Abschlussprüfers an. Die Suche wird schwierig werden.“ Eine Aussage aus meinen Gesprächen mit Vorständen und der Investor-Relations-Abteilung von börsennotierten Unternehmen bei meiner Tätigkeit als Hauptversammlungssprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

Ein Problem, dass künftig sicherlich noch mehr Unternehmen beschäftigen wird. Denn durch das FISG steht die Pflichtrotation für die betroffenen Unternehmen nun branchenunabhängig nach zehn Jahren an.

Gründe für die schwierige Suche

Wir haben spezielle Anforderungen an den Abschlussprüfer. Das ist einer der Gründe, die die Suche nach einer neuen Prüfungsgesellschaft schwierig gestaltet. So wurde mir dies seitens der Unternehmen berichtet. Eine Branche mit besonderer Komplexität wie beispielsweise eine Versicherung, die Kombination von Internationalität mit Expertise der Rechnungslegung nach US-GAAP und einige weitere gestalten beim anstehenden Wechsel des Abschlussprüfers die Suche nach einer neuen Gesellschaft als schwierig. Weiterlesen

Causa Wirecard – Wie einfach EY-Prüfer einem Verfahren entgehen können

Durch Fehler einzelner leiden wieder einmal alle Prüfer

Vier Wirtschaftsprüfer von EY haben ihre Lizenz zurückgegeben. Warum? Das hat für das Quartett einen Vorteil: Damit entgehen sie dem berufsrechtlichen Verfahren der Abschlussprüferaufsicht Apas. Wie das Handelsblatt im Januar berichtete, unterzeichneten drei von ihnen verschiedene Jahresabschlüsse von Wirecard als hauptverantwortliche Abschlussprüfer.

Wie bitte? Wie kann das denn sein? So „einfach“ können die Prüfer ein Verfahren loswerden? Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie diese Information das erste Mal gelesen haben. Ich war jedoch schockiert. Denn dies trifft wieder einmal den gesamten Berufsstand. Weiterlesen

Vertane Chance – EU-Kommission verschiebt Reform der Abschlussprüfung

Die Causa Wirecard…. auch für die Abschlussprüfung gab es noch vor der Bundestagswahl im September 2021 die ersten Gesetzesreformen, die beschlossen wurden. Darin wurde unter anderem die Haftung verschärft und die Rotationspflicht für alle Unternehmen von öffentlichem Interesse nach zehn Jahren festgelegt. Auch auf EU-Ebene sollte es Reformen geben, denn Wirecard hat auch diese aufgeschreckt.

Doch wie so oft: Sobald das Interesse an einem Skandal gesunken ist, stehen die Reformvorschläge wieder auf dem Abstellgleis. Eine vertane Chance, wie ich finde.

EU-Kommission drückt auf die Pause-Taste

Wirecard war auch für die EU-Kommission eine Art Weckruf: Die Themen Marktkonzentration sowie die Qualität der Abschlussprüfung sind die relevanten Themenfelder. Doch dieser Weckruf hat offenbar nicht dazu geführt, dass weitere Reformen auf EU-Ebene diskutiert werden. So standen in Deutschland beispielsweise auch das Thema Joint bzw. Shared Audit auf der Agenda, um so der Marktmacht der Big4 entgegenzuwirken. Bisher wenig diskutiert wurde die Einführung von Mindest-Honoraren. Denn durch die Einführung der Rotationspflicht vor einiger Zeit gibt es hier einen Preiswettbewerb. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Causa Wirecard – Langfristige Folgen für EY wenig überraschend

„EY baut hunderte Stellen in Deutschland ab“ – diese Schlagzeile war Ende Januar zu lesen. Laut einem Beitrag im Handelsblatt sollen 3,8 Prozent der Belegschaft entlassen werden. Betroffen sind nicht nur Mitarbeiter in Marketing und Verwaltung, sondern auch Partner der Gesellschaft.

EY wird neu organisiert, unter anderem sollen in einer Aufspaltung die Prüfung und Beratung voneinander getrennt werden. Das Handelsblatt berichtet auch über den Imageschaden EY´s durch den Wirecard-Skandal. Das erschwert die Gewinnung von Neukunden erheblich.

Sind diese Veränderungen bei EY überraschend? Die Trennung von Prüfung und Beratung vielleicht. Das hätte ich im Sommer 2020 vermutlich nicht so für die Zukunft angenommen. Doch dass das Image eines Abschlussprüfers nach einem derartigen Skandal massiv leidet, ist keine Überraschung.

Keine Neumandate nach Bilanzskandal

Zwar ist auch der Gesetzgeber mit den ersten Reformen tätig geworden. Und wie schon mehrfach gesagt: So ist dies meines Erachtens nicht ausreichend. Doch den größeren Schaden hat EY durch den erlittenen Imageschaden, denn wer schlägt der Hauptversammlung jetzt noch EY als neuen Prüfer vor?

Durch die verschärfte Pflichtrotation durch das FISG müssen nun alle betroffenen Unternehmen – und nicht mehr nur Banken sowie Versicherungen – nach zehn Jahren ihren Abschlussprüfer wechseln. Betroffen sind Unternehmen von öffentlichem Interesse, die PIEs.

Der Aufsichtsrat trifft die Vorauswahl, kümmert sich als um die Ausschreibung für die Suche nach einem neuen Abschlussprüfer. Und warum sollte sich dieser Ärger mit den Aktionären einhandeln und EY als Prüfer vorschlagen? Nicht vergessen darf man auch, dass beispielsweise Aktionärsschützer der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger EY als Abschlussprüfer aufgrund der fehlenden Aufarbeitung grundsätzlich ablehnen.

Weniger Prüfungsmandate für EY – diese Folgen waren im Sommer 2020 bereits absehbar. Zwar ist EY nicht die einige Big4-Gesellschaft, die gefälschte Bilanzen testiert hat, doch zum einen ist der Schaden bei Wirecard besonders hoch und der Zahlungsdienstleister war eben auch ein DAX-Konzern. Und wie so viele war EY auch ein Opfer der Betrüger – so wurde dies zumindest dargestellt. Doch warum dies vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse offenbar auch bei EY anders gesehen wird, dazu in einem weiteren Blogbeitrag mehr.

Insoweit bleibt die spannende Frage, wie es mit EY weitergehen wird. Vor mehr als 20 Jahren ist Arthur Anderson mit dem Zusammenbruch Enrons auch untergegangen. Ob Schicksal oder nicht, aber einige Scherben wurden von EY übernommen.

Was den Fall dennoch besonders macht

Die Aufspaltung von EY ist allerdings ein Fakt, der die Branche sicherlich nachhaltig verändern wird, denn in der Vergangenheit war die Beratung für die Gesellschaften attraktiver als die Prüfung. Höhere Margen und kein Problem mit der Haftung bei der Beratung – daher keinesfalls überraschend.

Interessant wird es jedoch, wenn die beiden Bereiche aufgespalten werden. Das wird sich sicherlich auch auf den Prüfermarkt auswirken. Was hatte jemand vor kurzem auf einen meiner Posts auf LinkedIn geschrieben: „Der Prüfermarkt ist das einzige Oligopol, der nicht funktioniert.“

Doch die Marktkonzentration hat sich weiter verschärft, die Big4 dominieren weiterhin den Markt mit einem Großteil des Umsatzes. Wie habe ich bereits in der Vorlesung meines Studiums gelernt „too big to fail“. Die Zeiten mit mehr als vier großen Prüfungsgesellschaften kenne auch ich nur aus Erzählungen.

Mit den ersten Gesetzesreformen nach dem Wirecard-Skandal wurde die Marktmacht nicht verringert, ganz im Gegenteil. Doch jetzt ist auch in der EU das Thema nicht mehr so dringend. Denn die Reform auf EU-Ebene für Wirtschaftsprüfer wird um Jahre verschoben – dazu in einem späteren Beitrag mehr. Schade, dass manches nur mit massivem Druck geht. Denn Verbesserungen sollten proaktiv vorgenommen werden. Und nicht erst, wenn ein weiterer Skandal das Vertrauen der Anleger zerstört hat.

Update Wirecard: Warum die Kreditgeber gepennt haben

Eigene Fehler eingestehen? Die Konsequenzen daraus ziehen oder sich sogar dafür entschuldigen? Das dauert im Causa Wirecard ziemlich lange. Bei den Banken sucht man danach bisher vergebens.

Wenn ich daran denke, wie ich als Selbständige meine Zahlen offenlegen muss und welche kritischen Fragen kommen, erschreckend. Schließlich wollte Wirecard nicht nur eine sechsstellige Summe von der Bank. Es ging doch um ein paar Nullen mehr vor dem Komma.

Rückblick: Warnzeichen seit 2015 (!)

Erschreckend ist vor allem, dass Wirecard auch nach dem vorgelegten Geschäftsbericht 2018 noch frisches Geld bekommen hat. Stimmt, EY hatte dafür ursprünglich einen Bestätigungsvermerk erteilt. Doch sollte man diesen auch lesen und nicht nur auf die Überschrift schauen.

Stimmt. Das ist etwas streng ausgedrückt. Die Banken schauen sich sicherlich die Unterlagen an. Doch muss man auch sagen: Bei den dreistelligen Millionenbeträgen würde ich annehmen, dass auch der Wirtschaftsprüferbericht nicht nur abgeheftet wird. Weiterlesen

Update Wirecard – Bafin-Zoff mit Exekutivdirektorin durch Gericht geklärt

Der Wirecard-Skandal hat weitere Konsequenzen bei der Bafin nach sich gezogen. Die Exekutivdirektorin musste gehen, so eine Meldung im Handelsblatt von Anfang Oktober. Bei dem Namen musste ich zweimal lesen: Beatrice Freiwald. Stimmt, ich hatte ihre Befragung im Untersuchungsausschuss im Bundestag live mitverfolgt.

Rückblick in den Untersuchungsausschuss

Meine Notizen zu ihren Aussagen sind leider sehr dürftig. Der Grund? Ich nehme an, die Aussagen der Zeugenaussage davor. Denn da wurde Dr. Hannelore Lausch befragt, die für die Bilanzkontrolle zuständig war. Ihre Aussagen haben mich doch etwas erschreckt, um es vorsichtig auszudrücken. Denn sie haben gezeigt: Die zweistufige Bilanzkontrolle war zum damaligen Zeitpunkt eher ein zahnloser Tiger.

Doch nun zurück zu Beatrice Freiwald. Das heiße Thema war hier, dass es vermehrte Handelsaktivitäten von Wirecard-Aktien von Mitarbeitern bei der Bafin gegeben hatte. Geprüft wurden die privaten Wertpapiergeschäfte von Bafin-Mitarbeitern bis zur Causa Wirecard unter der Aufsicht von Frau Freiwald eher lax. Inzwischen hat sich dies geändert. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Was die Causa Adler von Wirecard unterscheidet

Eigentlich sollte der Beitrag für Mai schon längst erschienen sein. Doch der Fall der Adler Group hat mir meinen Zeitplan durcheinandergewirbelt. Was ist passiert? Handelt es sich wirklich um einen Bilanzskandal? Warum ist der Fall nicht so eingebombt wie im Sommer 2020 der Causa Wirecard? Die Antworten dazu gibt es in meinem Blogbeitrag.

Was in den letzten Wochen passiert ist

Der Bericht der Sonderuntersuchung von KPMG wurde am 22. April 2022 veröffentlicht. Die Sonderuntersuchung wurde im vergangenen Jahr übrigens beauftragt, weil der Shortseller Fraser Perring dem Unternehmen Bilanzmanipulationen vorgeworfen hatte. In dem Bericht von KPMG zeigte sich unter anderem, dass es bei der Bewertung der Immobilien zwischen KPMG und Adler einige Differenzen gegeben hat. Und dabei wurden nur ein Teil der Projekt- und Wohnimmobilien analysiert. Das Problem dabei? Der Zeitwert wurde von KPMG geringer bewertet als von Adlers Gutachtern. Dabei geht es um immerhin ca. 700 Mio. € – ein nennenswerter Betrag für das SDAX-Unternehmen.

Zu diesem Zeitpunkt war die spannende Frage: Würde Adler am 30. April wie angekündigt einen testierten Geschäftsbericht für das Jahr 2021 vorlegen? Die Antwort dazu gab es am Freitagabend. Weiterlesen

Die DPR ist bald Geschichte – ein Abschiedsbrief

Das Jahresende naht. Für die DPR bedeutet dies, dass sie die letzten Tage ihrer Existenz erlebt. Aus diesem Anlass folgt nun ein Abschiedsbrief.

Liebe DPR,

bald wirst du Geschichte sein. Du bist dem Wirecard-Skandal zum Opfer gefallen. Wie so viele. Doch leider warst du von Anfang an so aufgestellt, dass du bei Fällen wie Wirecard machtlos warst. Du hattest lediglich 15 Mitarbeiter, die für die Prüfung von mehreren hundert Unternehmen zuständig waren. Wie soll dies denn gestemmt werden können? Leider habe ich nie etwas darüber erfahren, wer deine Mitarbeiter waren und welche Kompetenzen sie hatten. In der Öffentlichkeit wurde immer nur dein Präsident kritisiert.

Dein Präsident war gleichzeitig Prüfungsausschussvorsitzender von großen börsennotierten Unternehmen, die von dir geprüft wurden. Dass es hier keine Interessenskonflikte geben soll, ist für mich leider nur schwer verständlich. Doch hatte ich auch nicht den Eindruck, dass die Kritik diesbezüglich von dir wirklich ernst genommen wurde. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale – Prävention durch die Einrichtung eines Hinweisgeber-Systems

Wie können Bilanzmanipulationen schneller aufgedeckt werden? Die Einrichtung eines Hinweisgebersystems kann helfen. Wie aufgedeckte Bilanzskandale – so auch im Falle des Zusammenbruchs von Wirecard – gezeigt haben: Hinweisgeber tragen maßgeblich zur Aufdeckung bei – mit Konsequenzen für die „Informanden“, wie sich bei Wirecard leider sehr deutlich gezeigt hat.

Pav Gill, der Mann aus Singapur, musste um sein Leben fürchten. Das hat eine ganz andere Dimension, als „lediglich“ den Job zu verlieren. Auch die Angst um die eigene Karriere ist bei der Furcht ums eigene Leben absolut unbedeutend. Pav Gill, der in der Rechtsabteilung in Singapur für Wirecard tätig war, ist erst vor wenigen Monaten aus der Anonymität gekommen und hat damit dem Hinweisgeber von Wirecard ein Gesicht gegeben.

EU-Richtlinie

Die EU-Richtlinie zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems soll Mitte Dezember in Kraft treten. Weiterlesen