Betriebsprüfung: Wenn ein Auskunftsverlangen das Unternehmen lahmlegt

Stellen Sie sich vor, Sie betreiben ein Unternehmen, bei dem eines Tages eine Betriebsprüfung angekündigt wird. Und stellen Sie sich weiter vor, Sie erhalten eine Auflistung der von Ihnen vorzulegenden Unterlagen, die so umfassend ist, dass Sie Ihr Unternehmen für den nächsten Monat schließen müssen, um der Aufforderung des Prüfers nachkommen zu können.

Sie halten das für einen schlechten Scherz? Dann kennen Sie offenbar nicht die Damen und Herren der Hamburger Finanzverwaltung. Allen Ernstes sah – und sieht sich noch – ein Unternehmen mit folgender Aufforderung konfrontiert: Weiterlesen

Sozialversicherung: Ignorieren des Berichts der Lohnsteuer-Außenprüfung kann teuer werden

Aufgrund der prinzipiellen Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht von Lohn i.S. von § 19 EStG und Arbeitsentgelt i.S. von §§ 14, 17 SGB IV kann davon ausgegangen werden, dass ein Lohnsteuer-Haftungsbescheid in aller Regel auch in sozialrechtlicher Hinsicht Konsequenzen hat. So hat das BSG schon vor einigen Jahren entschieden (BSG-Urteil vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R; BSG-Urteil vom 18.10.2022, B 12 R 7/20 R). Und das wiederum bedeutet, dass Berichte der Lohnsteuer-Außenprüfung und/oder Lohnsteuer-Haftungsbescheide immer auch beitragsrechtlich auszuwerten sind.

Wer dies unterlässt, sollte beachten, dass die sozialversicherungsrechtliche Verjährungsfrist sage und schreibe 30 Jahre betragen kann und die Nachforderungen später – gerade auch angesichts der Säumniszuschläge – extreme Ausmaße annehmen können. Exemplarisch soll nachfolgend kurz ein Fall vorgestellt werden, über den das LSG Baden-Württemberg kürzlich entschieden hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.5.2023, L 7 BA 2862/20). Weiterlesen

Aufreger des Monats: Kein Interessenkonflikt bei Teilnahme einer Gemeinde an Betriebsprüfungen

Angenommen, ein Geschäftspartner, mit dem Sie gerade in Verhandlungen stehen, möchte Einblick in Ihre Kalkulationen und Verträge mit Konkurrenten nehmen. Wahrscheinlich würden Sie ein solches Begehren als schlechten Aprilscherz werten. Was aber, wenn der Geschäftspartner die Gemeinde ist, in der Sie ansässig sind? Auch der Gemeinde würden Sie keinen Einblick in Ihre Geschäftsunterlagen gewähren.

Wenn nun aber die Gemeinde auf ihr Recht pocht, das ihr in § 21 FVG gesetzlich zusteht, wird die Sache kompliziert. Denn nach § 21 Abs. 1 und 3 FVG darf sie an einer Betriebsprüfung des Finanzamts teilnehmen. Und dabei wird zumindest ein Bediensteter der Gemeinde ebenjene Unterlagen sichten, die Sie ihm nie und nimmer zeigen möchten. Ist dann dennoch eine Teilnahme des Gemeindebediensteten an der Betriebsprüfung des Finanzamts zulässig? Nein, sagt das FG Düsseldorf (Urteil vom 23.6.2021, 7 K 656/18 AO). Ja, sagt der BFH (Urteil vom 20.10.2022, III R 25/21). Für mich ist das der Aufreger des Monats.

Im zugrundeliegenden Fall unterhielt das zu prüfende Unternehmen mit der Stadt und deren Tochtergesellschaften Vertragsbeziehungen. In einem solchen Fall bestehe die Gefahr, dass der Gemeindebedienstete durch die Prüfung Einblicke in sensible Daten des Unternehmens wie etwa Kalkulationsgrundlagen und weitere Vertragsbeziehungen erhalte – so die Richter der Vorinstanz. Stehen sich Gemeinde und Steuerpflichtiger auch als Vertragspartner gegenüber und bestehe die Möglichkeit, dass Vertrags- oder Kalkulationsgrundlagen bei dem Steuerpflichtigen vorliegen, die auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer relevant sind (z.B. durch Auswirkung auf den Gewerbeertrag) und damit grundsätzlich vom Einsichtsrecht des Gemeindebediensteten umfasst sind, so sei das Steuergeheimnis höher zu bewerten als das Einsichtsrecht der Gemeinde.

Der BFH sieht die Sache anders, zumindest differenzierter, und hat wie folgt geurteilt: Weiterlesen

Wann ist (k)ein Übergang von der Kassen-Nachschau zur Betriebsprüfung möglich?

Das in der Prüfungs-Praxis nicht selten genutzte, relativ neue Instrument der Kassen-Nachschau, welche unangekündigt und während des laufenden Betriebs durchgeführt werden darf, hat bereits einige Unternehmer in Schrecken versetzt. Doch wann kann eigentlich ein Übergang zu einer Außenprüfung angeordnet werden? Das FG Hamburg hat hierzu kürzlich ein Urteil (v. 30.08.2022 – 6 K 47/22) gefällt.

Hintergrund

Nach § 146b Abs. 3 AO hat der Prüfer im Rahmen einer Kassen-Nachschau die Möglichkeit, zur Außenprüfung überzugehen, wenn es Beanstandungen gibt oder Dokumentationsunterlagen nicht vorgelegt werden können. Geboten ist eine solcher Übergang aus Prüfersicht vor allem, wenn die sofortige Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig erscheint und anschließend die gesetzlichen Folgen der Außenprüfung für die Steuerfestsetzung eintreten sollen.

Nach § 146b Abs. 3 Satz 2 AO ist der Steuerpflichtige auf diesen Übergang schriftlich hinzuweisen. Der schriftliche Übergangshinweis ersetzt dabei die Prüfungsanordnung. Fraglich ist jedoch, ob ein Übergang zur Außenprüfung dann festgesetzt werden kann, wenn dem Prüfer nicht die erbetenen Unterlagen (sofort) übergeben werden.

FG Hamburg: Übergang zur Außenprüfung

Das FG Hamburg beantwortete diese Frage nunmehr mit einem „Ja“ und konstatierte, dass der Prüfer u.a. nicht die Möglichkeit des Übergangs verwirkt, wenn er diesen nicht sofort anordnet, sondern er dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen. Im zu entscheidenden Fall führte das Finanzamt bei dem Kläger eine Kassen-Nachschau gem. § 146b AO durch. Der Umfang der Nachschau beinhaltete die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung.

Im Rahmen der durchgeführten Prüfung stellte der Beklagte bzw. dessen Mitarbeiter die erbetenen Aufzeichnungen den Prüfern nicht zur Verfügung. Die Nicht-Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen wurde damit begründet, dass diese Unterlagen im Büro des Geschäftsführers verschlossen seien und nur dieser einen Schlüssel zu dem Büro habe. Im Folgenden übergaben die Prüfer eine Liste der nachzureichenden Unterlagen. Diese wurden auch in der Folgezeit für die Kassen-Nachschau übergeben. Wenige Wochen danach kündigte das Finanzamt indes den Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO an, wogegen geklagt wurde.

Kein Erfolg der Klage

Das FG sah die Klage jedoch nicht als begründet. Die Voraussetzungen für einen Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO haben im Streitfall vorgelegen. Denn die bei der Kassen-Nachschau getroffenen Feststellungen haben Anlass gegeben, zu einer Außenprüfung überzugehen, weil bei der Kassen-Nachschau den Prüfern nicht die erbetenen Unterlagen übergeben worden sind. Insbesondere ist es laut Gericht nicht zwingend, dass bereits in dem Moment, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen nicht herausgegeben werden können, der Übergang zur Betriebsprüfung angeordnet wird.

Der Betriebsprüfer verwirkt nicht die Möglichkeit der Anordnung des Übergangs, wenn er diesen Übergang nicht sofort anordnet, sondern dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen. Insbesondere seien weitere Voraussetzungen in § 146b Abs. 3 AO nicht normiert und sind auch nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige sei nicht schlechter gestellt, als wenn er eine „normale“ Prüfungsanordnung gemäß § 196 AO erhalten hätte. V.a. handelt es sich laut Gericht bei dem § 146b Abs. 3 AO nicht um eine Norm mit Bestrafungscharakter.

Übergang liegt im Ermessen der Finanzverwaltung

Das Urteil eines Finanzgerichts zur Kassen-Nachschau zeigt, dass laut FG der Übergang von der Kassen-Nachschau zur Außenprüfung fast ohne besondere Sachverhaltserfordernisse möglich ist. Das Gericht erwähnt explizit, dass im Übrigen die Anordnung des „Übergangs zur Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO im Ermessen der Finanzverwaltung [steht], welches gemäß § 102 FGO durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist“.

Insbesondere mangelnde Kooperationsbereitschaft kann einen Übergang rechtfertigen, aber auch bei Kooperationsbereitschaft ist ein solcher nicht ausgeschlossen. Steuerpflichtige, die in die Situation einer Kassen-Nachschau kommen könnten, sind daher angehalten, sich auf diese adäquat vorzubereiten. Mögliche Szenarien und Fragen durch die Prüfer sollten zumindest im Vorhinein betriebsintern einmal durchgespeilt werden.


Wenn der Steuerfahnder vor der Türe steht: Ist eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung erlaubt?

Dürfen Steuerfahnder ohne Ankündigung an der Wohnungstür auftauchen, um Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer zu überprüfen, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich zur Auskunft gegenüber dem Finanzamt bereit ist? Mit dieser Frage hatte sich der BFH in einer aktuellen Streitsache zu befassen und zu entscheiden.

Mein Blogger-Kollege Christian Herold hat sich hierzu schon in seinem Beitrag „Dürfen “Flankenschützer” die Steuerzahler überrumpeln?“ geäußert. Dieser (Vor-)Fall hat es meiner Meinung nach „in sich“, so dass ich hier noch weitere Aspekte beisteuern möchte. Weiterlesen

Wenn der Betriebsprüfer zweimal klingelt

Eine Betriebsprüfung sorgt bei den meisten Unternehmern für Unbehagen. Immerhin werden Klein- und Kleinstbetriebe eher selten geprüft. Und Anschlussprüfungen sind bei diesen Betrieben noch seltener, es sei denn, es gibt einen bestimmten Anlass, etwa Ungereimtheiten in der Buchführung, die so gravierend sind, dass ein zweiter Besuch des Prüfers aus Sicht der Finanzbehörde sinnvoll erscheint.

Manch Unternehmer muss eine Anschlussprüfung aber ohne offensichtlichen Anlass erdulden. Zumindest erschließt sich ihm selbst dieser Anlass nicht. Und so wird hin und wieder versucht, die Prüfungsanordnung anzufechten. Doch es dürfte wohl nur sehr seltene Fälle geben, in denen eine Anfechtung der Prüfungsanordnung von Erfolg gekrönt ist. Weiterlesen

Interessenkonflikt bei Teilnahme einer Gemeinde an Betriebsprüfungen

Stellen Sie sich vor, ein Geschäftspartner bittet Sie darum, Einblick in Ihre gesamten Unterlagen, also auch in Ihre Kalkulationen und Verträge mit Konkurrenten Einblick nehmen zu dürfen. Sicherlich würden Sie dem Geschäftspartner höflich, aber bestimmt zu erkennen geben, dass sie seinem Anliegen nicht nachkommen können. Was aber, wenn der Geschäftspartner die Gemeinde ist, in der Sie ansässig sind? Auch der Gemeinde würden Sie keinen Einblick in Ihre Geschäftsunterlagen gewähren.

Wenn nun aber die Gemeinde auf ihr Recht pocht, das ihr in § 21 FVG gesetzlich zusteht, wird die Sache kompliziert. Weiterlesen

Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU“ bei 4/3-Rechnern unverhältnismäßig!

Viele Jahre waren die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachten, bevor sie Anfang 2015 durch die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“(GoBD) abgelöst wurden.

Beiden Regelungen ist gemein, dass sie von der Finanzverwaltung und leider auch zuweilen von den Finanzgerichten (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg 12.6.2018, 8 K 501/17) mit einem Gesetzescharakter versehen werden, der ihnen aber nicht zukommt. Die wesentlichen Bestimmungen zum Datenzugriff ergeben sich aus § 147 Abs. 1 und Abs. 6 AO. Und auf diese kommt es an. Diese Erfahrung musste auch ein Finanzamt aus dem Münchner Raum machen, das von einem Einnahmen-Überschussrechner zusammen mit der Prüfungsanordnung „die Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU“ angefordert hat. Doch ein solches Verlangen ist unverhältnismäßig.

Dazu der BFH mit Urteil vom 7.6.2021 (VIII R 24/18): Weiterlesen

BP-Bericht entfaltet keine Bindungswirkung für die Zukunft

Betriebsprüfungsberichte sind seltsame Konstrukte. Sie erwecken zwar den Anschein eines Verwaltungsaktes, bereits am 29.4.1987 (BStBl 1988 II S. 168) hat der BFH jedoch entschieden, dass der Prüfungsbericht mangels Regelung kein solcher Verwaltungsakt ist (I R 118/83). Daher könne der BP-Bericht nicht „Gegenstand einer Verpflichtungsklage auf Änderung des Berichts“ sein. Mit Beschluss vom 6.8.2014 hat der BFH das Ergebnis bestätigt (V B 116/13). Insofern kann nur ein eventuell später ergehender Steuerbescheid angefochten werden. Andererseits enthalten BP-Berichte oftmals – neben den eigentlichen Ausführungen zu den Mehr- und Minderergebnissen – weitere Hinweise. Diese können zum Beispiel die Erfüllung von Aufzeichnungspflichten für die Zukunft betreffen.

Werden solche Hinweise in den Folgejahren missachtet, so wird die kommende Betriebsprüfung das „Versäumnis“ besonders schwer gewichten. Also hat ein BP-Bericht doch einen gewissen „Verwaltungsakt-Charakter“. Weiterlesen

Steuerlicher Totalschaden | Was tun bei Privat-PKW mit mehr als 50 % Betriebsfahrten? (2/2)

Ein Freiberufler rechnet sämtliche Betriebsfahrten mit dem (vermeintlichen) Privat-PKW zu 0,30/km ab. Doch dann stellt sich in der Betriebsprüfung heraus, dass wegen der geringen Privatfahrleistung tatsächlich notwendiges Betriebsvermögen vorliegt (zu dieser häufigen Praxiskonstellation siehe Teil 1 des Beitrags). Jetzt ist guter Rat teuer. Weiterlesen