Rentendoppelbesteuerung (Teil 2): Berücksichtigung von Witwenrenten – BFH wirft Nebelkerzen!

Wie ist zu entscheiden, wenn ein Ehemann mit seiner Altersrente der Doppelbesteuerung unterliegt, unter Einbeziehung einer statistisch zu erwartenden Witwenrente aber nicht? Der BFH hat eine Meinung dazu, kann sie aber nicht begründen.

Steuerrechtlich eigenständige Renten

Bei der vorhergehenden Rente und der Witwenrente als Folgerente handelt es sich rechtlich – und unstreitig auch steuerrechtlich anerkannt – um eigenständige Renten. Das ergibt sich u.a. aus der Entscheidung des BFH vom 16.09.2004 (X R 29/02). Strittig war, ob ein Steuerpflichtiger bei einer Sofortrente gegen Einmalzahlung vorausgezahlte Zinsen für Darlehen, die er zur Finanzierung der Einmalzahlung aufgenommen hatte, als Werbungskosten geltend machen konnte; mithin, wie die erforderliche Totalüberschussprognose ausgestaltet war.

Der Kläger wollte, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, die Witwenrente für seine ihn statistisch überlebende Ehefrau in die Prognose einbeziehen. Das beklagte Finanzamt verneinte eine Einkommenserzielungsabsicht, da die Witwenrente ein eigenständiger Anspruch – und die Prognose subjektbezogen anzustellen sei.

Der BFH entschied zu Gunsten des Klägers und führte dazu aus, dass der gegenständliche Charakter der Einkunftsquelle bei einer Leibrente gegen Einmalzahlung im Vordergrund steht, in gleicher Weise etwa wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Deshalb ist es wirtschaftlich geboten, die Totalüberschussprognose subjektübergreifend durchzuführen.

Dass die Witwenrente steuerrechtlich eine eigenständige Rente darstellt, wird auch im Rahmen der Überschussprognose dadurch berücksichtigt, dass insoweit der sich nach Maßgabe des Beginns der Folgerente ergebende – niedrigere – Ertragsanteil angesetzt wird (zustimmend dazu Killat-Rasthaus in HHR Lfg. 251 (April 2012), Rnr. 332 zu § 22. Gleicher Ansicht dazu EStH 22.4 2010 zu § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) EStG. Dort wird auf das Urteil verwiesen und ausgeführt, dass zwei Renten vorliegen, wenn eine Person (z.B. die Ehefrau) nur für den Fall eine Rente erhält, dass sie die erste Person überlebt).

Es leuchtet ein, dass eine Totalüberschussprognose bei einer subjektbezogenen Betrachtung ihren Zweck nicht erfüllen kann – und steuerrechtlich deshalb die Einkunftsquelle als solche (subjektübergreifend) zu betrachten ist. Unabhängig davon handelt es sich aber um eigenständige Renten.

BFH-Urteil vom 19.05.2021 (X R 33/19)

Der BFH irrt nun allerdings, wenn er nunmehr (entgegen der Vorinstanz), u.a. unter Verweis auf die o.g. Entscheidung X R 29/02, die statistisch erwartbaren steuerfreien Zuflüsse aus einer Witwenrente in die Vergleichsrechnung zur Feststellung einer etwaigen Doppelbesteuerung bei der vorhergehenden Rente mit einbeziehen will.

Für seine Vorgehensweise gibt er, m.E. etwas irreführend, quasi zwei Begründungen, die m.E. aber in sich widersprüchlich sind: Weiterlesen

Rentenurteile des BFH: Was ist nun zu tun?

Wenn ich mich derzeit mit Kollegen, aber auch mit Mandanten und Freunden unterhalte, scheint es beim Thema „Rentenurteile des BFH“ zwei Parallelwelten zu geben: Während mir die Steuerprofis immer wieder signalisieren, dass sie in der Praxis kaum Einsprüche, geschweige denn Klagen gegen eine vermeintliche Doppelbesteuerung geführt haben, erkenne ich bei den Bürgerinnen und Bürger hingegen ein großes Interesse. Weiterlesen

Rentenbesteuerung – was ist von den aktuellen BFH-Urteilen zu halten?

Mit Spannung sind die beiden BFH-Urteile zur möglichen Doppelbesteuerung von Renten erwartet worden. Der BFH hatte die Messlatte auch hochgelegt, da er die Urteile nicht im normalen Turnus und ohne viel Aufhebens veröffentlicht hat, sondern bereits im Vorfeld die Pressevertreter auf die mündliche Verhandlung aufmerksam gemacht und dann auch noch einen konkreten Termin für die Urteilsverkündung benannt hat. Wie dem auch sei: Die Urteile sind gesprochen und bedürfen sicherlich noch der eingehenden Analyse. Dennoch möchte ich schon jetzt die beiden Entscheidungen kurz vorstellen und bewerten.

Zunächst zu dem Verfahren X R 33/19 (Urteil vom 19.5.2021):

Der Kläger war während seiner aktiven Erwerbstätigkeit überwiegend selbständig als Steuerberater tätig. Auf seinen Antrag hin war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Er zahlte seine Rentenbeiträge größtenteils aus eigenem Einkommen. Dabei konnte er diese Aufwendungen nur begrenzt als Sonderausgaben abziehen. Seit 2007 erhält der Kläger eine Altersrente. Im vorliegenden Verfahren wandte er sich gegen deren Besteuerung im Jahr 2008. Das Finanzamt hatte die Rente mit einem Besteuerungsanteil von 54 % der Einkommensteuer unterworfen, so dass also ein steuerfreier Teil von 46 % verblieb.

Doch der BFH konnte im Streitfall keine Doppelbesteuerung erkennen. Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse („steuerfreier Rentenbezug“) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Dabei ist – nach wie vor – das Nominalwertprinzip maßgebend. Der Auffassung der Kläger, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der Senat nicht. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden. Weiterlesen

Die Besteuerung der Renten: Quo vadis?

Bereits vor einiger Zeit wurde in diesem Blog unter dem Titel „Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht“ das Problem der Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte angesprochen.

Im Kern gehen die jetzigen Probleme, die das Besteuerungssystem der Renteneinkünfte bietet, auf das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) zurück. Mit diesem Gesetz wurde zum 1. Januar 2005 das Besteuerungssystem der Renten reformiert. Der damalige Gesetzgeber war durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu einer Reform angehalten, da das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG für verfassungswidrig erklärte (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, S. 618).

Durch das Alterseinkünftegesetz wird der abzugsfähige Anteil der Rentenbeiträge – beginnend mit 60 % im Jahr 2005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2025 angehoben. Zeitgleich wird der steuerpflichtige Anteil des Renteneinkommens auf 100 % im Jahr 2040 erhöht. Durch dieses System kann eine Doppelbesteuerung resultieren, die besonders stark bei Personen wirkt, die bereits vor 2005 erwerbstätig waren und ab 2040 in den Ruhestand gehen.

Für diese Personen waren zwischen 2005 und 2025 die Beiträge in die Rentenversicherung nicht voll abzugsfähig, ab 2040 muss die Rente unterdessen komplett versteuert werden. Aber auch für Steuerpflichtige, die bereits heute Renteneinkünfte erzielen, kann sich rechnerisch eine Doppelbesteuerung nachweisen lassen. Aus diesem Grund sind mehrere Finanzgerichtsverfahren zur Frage der Doppelbesteuerung anhängig (z.B. BFH Az. X R 33/19; FG Saarland Az. 3 K 1072/20) und das Thema wird in zunehmenden Maße auch in die politische Diskussion eingebracht. Ende 2020 nahmen Mitglieder der FDP Bundestagsfraktion die Doppelbesteuerung der Rente zum Anlass eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Aus den Antworten der Bundesregierung wird zunächst deutlich, dass am 1. Juli 2020 rund 20 Mio. Empfänger einer gesetzlichen Rente in Deutschland vorhanden waren und zwischen 2015 und 2019 zirka 4 Mio. neue Empfänger einer gesetzlichen Rentenversicherung hinzugekommen sind (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 2). Insbesondere die letzte Gruppe dürfte tendenziell stärker von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sein.

Auf die Frage „Wie viele Personen werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen?“ antwortete die Bundesregierung wie folgt „Der Bundesregierung liegen keine Angaben zur Anzahl der Personen vor, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen.“ (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Eine Abschätzung, wie hoch die Anzahl der Steuerpflichtigen sein wird, die in den kommenden Jahren von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sind, lässt sich damit nicht treffen.

Die Bundesregierung hält allerdings daran fest, dass im Rahmen der skizzierten Übergangsregelung zu keiner verfassungswidrigen Doppelbesteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Ob sich die Ansicht halten lässt, wird sich im anhängigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof zeigen, welches noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Auch wenn die Doppelbesteuerung im Einzelfall gering ausfallen kann und damit noch als verfassungswidrig qualifiziert, kann unter Gerechtigkeitsaspekte auch dieses System kritisch gesehen werden. Zum einen, da aufgrund des gesunkenen Einkommens in der Rentenphase, eine Doppelbesteuerung schädlicher wirkt, als in einer Phase mit hohen Einkommen. Zum anderen aber auch, weil auch eine geringe Doppelbeteuerung als ungerecht empfunden wird.

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Schindler/Braun „Die Doppelbesteuerung von Renten ist Fakt!, NWB 11/2020 S. 784 ff. (für Abonnenten kostenfrei).


 

Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht

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Unternehmenssteuerpaket der EU-Kommission auf dem Markt

Im Spätherbst dieses Jahres hat die EU-Kommission Gesetzesentwürfe vorgelegt, die das Ziel haben, die Unternehmensbesteuerung in Europa zu harmonisieren und so Steuervermeidung durch Ergebnisverlagerung vorbeugen sollen.  Weiterlesen

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