Endlich: BMF übernimmt Rechtsprechung zur Leistungsbeschreibung

Zuletzt hatte der BFH mehrfach entschieden, dass die Finanzverwaltung an eine Leistungsbeschreibung in einer Rechnung keine überzogenen Anforderungen stellen darf. Unter anderem genügt die Bezeichnung von erbrachten Leistungen als “Trockenbauarbeiten”, wenn sie sich auf ein konkret bezeichnetes Bauvorhaben an einem bestimmten Ort bezieht. (BFH-Urteil vom 15.10.2019, V R 29/19 (V R 44/16), NWB LAAAH-39358).

Und zur Frage, welchen Anforderungen Rechnungsangaben zur Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände genügen müssen, kann sich ein Unternehmer darauf berufen, dass die von ihm verwendeten Bezeichnungen “handelsüblich“ sind (BFH-Urteil vom 10.7.2019, XI R 28/18).

Wie immer in solchen Fällen behagt es der Finanzverwaltung überhaupt nicht, wenn ihr die Rechtsprechung auf die Füße tritt und so benötigt sie schon einmal zwei oder mehr Jahre, um eigentlich klare Aussagen des BFH zu übernehmen. Aber sei es drum: Immerhin hat das BMF nun den UStAE geändert und zur Frage der “handelsüblichen Bezeichnung” Stellung genommen. Hierzu hat sich Dr. Wengerofsky im Blog schon geäußert (s. weitere Informationen unten). Aufgrund der Brisanz des Themas möchte ich hier noch weitere Aspekte aufgreifen). Die wesentlichen Aussagen des BMF-Schreibens vom 1.12.2021 (III C 2 – S 7280-a/19/10002 :001, BStBl 2021 I S. 2486) lauten: Weiterlesen

Vorsteuerguthaben: Notfalls muss eine einstweilige Anordnung her

Leider sind betrügerische Umsatzsteuerkarusselle und -ketten trotz aller Bemühungen der deutschen und europäischen Finanzbehörden nach wie vor keine Seltenheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzämter Ungemach wittern, wenn sich ein wirtschaftliches Geschehen in ihren Augen als dubios herausstellt, etwa wenn gerade neu gegründete Unternehmen Markenartikel von einem Lieferanten in großer Stückzahl beziehen und dabei Preise “aufgerufen” werden, die erheblich unter der Konkurrenz liegen.

Doch nicht jedes lukrative Geschäft muss in einen Betrug eingebunden sein. Von daher: Fehlen dem Finanzamt eindeutige Hinweise zu einem steuerlichen Fehlverhalten des Unternehmers in Bezug auf empfangene Leistungen, so ist es – notfalls im Wege der einstweiligen Anordnung – verpflichtet, einer Umsatzsteuer-Voranmeldung zuzustimmen und die Vorsteuer zu erstatten. Weiterlesen

Rechnungsanforderungen beim Vorsteuervergütungsverfahren

Ausweislich § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV sind dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege als eingescannte Originale vollständig beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnung über Kraftstoffe mindestens 250 € beträgt.

Weil die Regelung keine eigenständige Definition der Rechnung enthält, ist insoweit der Rechnungsbegriff des § 15 UStG heranzuziehen. Das Vorsteuervergütungsverfahren dient lediglich dazu, die Vergütung von Vorsteuerbeträgen einem besonderen Verfahren zu unterwerfen, ohne aber den Anspruch auf Vorsteuerabzug inhaltlich auszugestalten.
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Rechnungen dürfen rückwirkend berichtigt werden

Unzählige Finanzgerichte mussten sich in der Vergangenheit mit der Frage befassen, ob eine Rechnung rückwirkend berichtigt werden darf, genauer gesagt ob eine berichtigte Rechnung für den Vorsteuerabzug auf den ursprünglichen Zeitpunkt zurückwirkt und damit die Festsetzung von hohen Nachzahlungszinsen vermieden werden kann. Jüngst hat der BFH eine Rechtsprechung aus dem Jahre 2016 bestätigt: Eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (BFH 5.9.2019, V R 12/17).

Der etwas verkürzt dargestellte Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt die Vermietung von Grundstücken und beweglichem Anlagevermögen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Im Jahre 2009 stellte die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2010 (Streitjahr) machte die Klägerin u.a. Vorsteuern aus Rechnungen der Sozietät Y geltend. Ausgangspunkt der geschäftlichen Beziehung war ein Schreiben der Sozietät aus 2009. Darin bestätigte Y ihre Bereitschaft, die Gesellschafter der Klägerin im Hinblick auf die Insolvenz der GmbH zu beraten und zu vertreten. Das Schreiben war an alle Kommanditisten gerichtet. Weiterlesen

Stellplatz- und Wohnungsvermietung nicht zwingend einheitliche Leistung

Eine Wohnungsvermietung ist umsatzsteuerfrei und berechtigt daher nicht zum Vorsteuerabzug. Die selbstständige Vermietung eines Stellplatzes ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig und berechtigt zum Vorsteuerabzug. Etwas anderes gilt dann, wenn die Vermietung des Stellplatzes eine unselbstständige Nebenleistung zur Wohnraumvermietung ist.

Mit Urteil vom 27.6.2019 (Az: 3 K 246/19) hat das Thüringer FG geurteilt: Die Auffassung, dass es sich bei der Vermietung von Stellplätzen stets um eine unselbständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung als Hauptleistung handele, wenn Wohnung bzw. Stellplatz von ein und demselben Vermieter an jeweils ein und denselben Mieter vermietet werden, findet keine hinreichende Grundlage in der EuGH-Rechtsprechung.

Gesonderte Verträge und somit eine gesonderte Rechnungslegung allein ändern nichts an einer objektiven engen Verbindung zwischen verschiedenen Vermietungsleistungen, die zu einer einheitlichen Leistung führt.

Ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen der umsatzsteuerfreien Vermietung der Wohnungen und der steuerpflichtigen Vermietung der Stellplätze ist zu verneinen, wenn der Zugang zu den Tiefgaragenstellplätzen auch Mietern, die nicht zugleich auch eine Wohnung in dem Objekt gemietet haben, ohne Betreten des Wohnhauses möglich ist.

Da dies im Ergebnis zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Stellplätze führt, kann insoweit auch Vorsteuer abgezogen werden, so das Thüringer FG. Damit ist die Finanzverwaltung jedoch nicht zufrieden, weshalb der BFH (Az: V R 41/19) hier noch das letzte Wort haben wird.

Weitere Informationen:

Stundung von Mieten und Pachten: Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs steht aktuell auf dem Prüfstand

In Zeiten der Corona-Krise bekommen steuerliche Randfragen plötzlich enorme Bedeutung. So lässt ein aktueller Vorlagebeschluss des FG Hamburg an den EuGH aufhorchen. Kurz gesagt geht es um die Frage, wann ein Mieter die Umsatzsteuer auf gestundete Mietzahlungen als Vorsteuer abziehen darf – bereits unmittelbar nach Ausführung der (monatlichen) Mietleistung oder erst nach tatsächlicher Zahlung der gestundeten Miete (FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 10.12.2019, 1 K 337/17, Az. des EuGH C-9/20)? Weiterlesen

Zuordnung zum Unternehmensvermögen – kippt die Frist 31. Juli?

Wer ein Gebäude oder eine Photovoltaikanlage errichtet, will bei einer unternehmerischen Nutzung einen möglichst hohen Vorsteuerabzug erreichen. Bei Immobilien oder Anlagen, die zu 100 Prozent unternehmerisch genutzt werden, ist dies kein Problem. Wenn jedoch eine unternehmerische und eine außerunternehmerische (private) Nutzung zusammentreffen, verlangen BFH und BMF eine zeitnahe und vor allem erkennbare Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Diese ist spätestens bis zum 31. Juli des Folgejahres des Leistungsbezuges zu treffen, bei Leistungen für ein Gebäude im Jahre 2019 also bis zum 31. Juli 2020. Früher war dies der 31. Mai.

Den 31. Juli bzw. den 31. Mai als echte Ausschlussfrist anzusehen, ist jedoch eine reine Rechtsfortbildung des BFH und im Gesetz nicht unmittelbar normiert.

Nun gibt es zahlreiche Fälle, in denen die Frist nicht beachtet wurde und mithin der Vorsteuerabzug versagt worden ist. Daher haben es bereits zwei Verfahren bis vor den BFH geschafft (XI R 3/19 und XI R 7/19), ein weiteres steht sozusagen in den Startlöchern (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.11.2019, 3 K 2217/18 nrkr.).

Unruhe kam bei den Richtern und der Finanzverwaltung auf, als der EuGH in einem polnischen Verfahren die Frist gekippt hat. Weiterlesen

BMF gestattet Vorsteuer aus „alten“ Bahntickets

Zum Jahresbeginn wurde der Umsatzsteuersatz auf Bahntickets gesenkt. Das ließ die Frage aufkommen, wie die noch in 2019 zum Regelsatz verkauften Tickets für diesjährige Fahrten steuerlich behandelt werden. Das BMF gab nun eine Vereinfachungsregelung für Unternehmerkunden heraus. Weiterlesen

Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Gebäuden

Wird ein Wirtschaftsgut, z. B. ein Gebäude, bereits entsprechend dem Baufortschritt verwendet, noch bevor es insgesamt fertig gestellt ist, ist für jeden gesondert in Verwendung genommenen Teil des Wirtschaftsguts ein besonderer Berichtigungszeitraum anzunehmen. So geregelt in Abschnitt 15 a.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE.

Fraglich ist jedoch, ob es bei dieser Verwaltungsauffassung bleiben wird. Weiterlesen

Anzahlungen auf Blockheizkraftwerke – Finanzverwaltung gibt nicht auf

Der EuGH hatte im vergangenen Jahr zu den Betrugsfällen der nicht gelieferten Blockheizkraftwerke ausführlich Stellung bezogen und die harte Haltung der deutschen Finanzverwaltung nicht akzeptiert. Das heißt, er hat den Vorsteuerabzug auf Anzahlungen in den betroffenen Fällen dem Grunde nach bejaht.

Ende 2018 hat dann der BFH ebenfalls zu den Fällen Stellung genommen und wie folgt entschieden: Der Vorsteuerabzug aus einer geleisteten Vorauszahlung ist dem Erwerber eines (später nicht gelieferten) Blockheizkraftwerks nicht zu versagen, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung die Lieferung als sicher erschien. Erforderlich ist hierfür, dass alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als ihm bekannt angesehen werden konnten und anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass er zu diesem Zeitpunkt wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war (EuGH 31.5.2018, C-660/16 und C-661/16; BFH-Urteil vom 5.12.2018, XI R 44/14).

Nun dachte ich – ehrlich gesagt – dass der Spuk so langsam ein Ende hätte und die Finanzverwaltung die Steuerpflichtigen, die ohnehin genug geschädigt sind, in Ruhe lassen würde. Doch weit gefehlt: Die Finanzverwaltung bleibt hartnäckig. Aber glücklicherweise hat sie vom BFH abermals eine Abfuhr kassiert.

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