EuGH: Kein Anspruch auf mehr Urlaubstage bei Corona-Quarantäne

Wer seinen Urlaub in Corona-Quarantäne verbringen musste, hat nach einer aktuellen EuGH-Entscheidung (EuGH v. 14.12.2023 – C 206/22) keinen Anspruch darauf, die Urlaubstage nachholen zu dürfen.

Hintergrund

Ein Arbeitnehmer hatte mit seiner Arbeitgeberin vereinbart, vom 3. bis 11.12.2020 bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Aufgrund eines Kontakts mit einer positiv auf COVID-19 getesteten Person stellte die zuständige deutsche Behörde den Arbeitnehmer im selben Zeitraum unter Quarantäne (§ 28 IfSG). Daraufhin beantragte er beim Arbeitgeber, diese Urlaubstage auf einen späteren Zeitraum übertragen zu dürfen (§ 7 Abs. 3 BurlG), was dieser ablehnte. Weiterlesen

BAG: Resturlaub verjährt nicht automatisch

Mit zwei wichtigen Urteilen hat das BAG (Urteile v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20 und 9 AZR 245/19) die Frage entschieden, wann Resturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis und im Fall langwieriger Erkrankung verfällt.

Hintergrund

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) muss Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden, andernfalls verfällt er. Eine Übertragung in das nächste Jahr, ist nur bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen statthaft. Der Urlaub muss dann in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Diese Verfallgrenze des 31. März gilt seit einem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2009 (C-350/06; C-520/06) bei langwierigen Erkrankungen nicht.

Infolgedessen hat das BAG 2012entschieden, dass ein Anspruchsverfall erst 15 Monate nach Ende des eigentlichen Urlaubsjahres beim gesetzlich vorgegeben Mindesturlaub eintritt (BAG 9 AZR 623/10). Bereits 2018 hatte der EuGH klargestellt: Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahres-(Mindest) Urlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat (EuGH C-619/16 und C-684/16). Im September 2022 hat der EuGH (22.9.2022 C-120/21; C-518/21; C-727/20) entschieden, dass Urlaub nur verjähren kann (§§ 194, 195 Abs.1 BGB), wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und vor dem Urlaubsverfall gewarnt wurde; ich habe ich im Blog berichtet (EuGH stärkt Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern).

Was ist der Kern der neuen BAG-Entscheidung?

In einem der aktuellen Streitfälle (BAG 9 AZR 266/20) machte die Klägerin geltend, dass Urlaub wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht habe genommen werden können. Im zweiten Fall (BAG 9 AZR 245/19) ging es um die Verjährung von Urlaub, der wegen langer Krankheit 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres nicht genommen werden konnte. Weiterlesen

EuGH stärkt Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern

Urlaubsansprüche können nur verjähren, wenn der Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und vor dem Urlaubsverfall gewarnt wurde, hat der EuGH entschieden (22.9.2022, C-120/21; C- 518/21; C-727/20). Was hat das für Konsequenzen in der Praxis?

Hintergrund

Es geht um drei Fälle aus Deutschland. In einem Fall konnte die Klägerin ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht nehmen und verlangte Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber hielt dagegen, die Urlaubsansprüche seien verjährt (§§ 194 Abs. 1; 195 BGB).

Die beiden anderen Fälle betrafen den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Die Kläger meinten einen Urlaubsanspruch für das Jahr zu haben, in dem sie aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert bzw. arbeitsunfähig waren. Bei Krankheit verfällt der Urlaubsanspruch normalerweise nach 15 Monaten.

Wie hat der EuGH entschieden?

Der EuGH hat klargestellt, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich nehmen kann. Dafür muss der Arbeitnehmer ausdrücklich zur Urlaubsabnahme aufgefordert worden sein. Ferner urteilte der EuGH, das Urlaubsansprüche nicht verjähren, wenn sie vor der Erwerbsunfähigkeit entstanden und der Arbeitgeber nicht rechtzeitig aufforderte oder ermöglichte, Urlaub abzunehmen. Weiterlesen

Können Urlaubsansprüche verjähren?

In einem aktuellen Verfahren muss das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, der dreijährigen Verjährung unterliegt. Jetzt hat das BAG zunächst den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen (BAG vom 29.09.2020 – 9 AZ R 266/20 (A)).

Hintergrund

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat das BAG mehrfach unionsrechtskonform ausgelegt: Im Anschluss an den EuGH (vom 06.11.2018, – C 684/16) zu Art. 7 RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie zu Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta hat das BAG bereits entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 1 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht abgenommen hat (BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15).

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, Weiterlesen

Urlaubsverfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG bei Krankheit und Erwerbsminderung: BAG holt Entscheidung des EuGH ein

In zwei neuen Entscheidungen hat das BAG den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen, ob ein Urlaubsverfall bei Krankheit und bei voller Erwerbsminderung v. 7.7.2020) voraussetzt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, ihn ferner darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch “aus freien Stücken“ nicht genommen hat (BAG 9 A 401/19 (A) und (BAG 9 AZR 245/19 (A) v. 7.7.2020). Weiterlesen

Änderung der Rechtsauffassung: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers ist beitragspflichtig

Nach bisheriger Ansicht der Sozialversicherungsträger waren Urlaubsabgeltungen nach Beendigung der Beschäftigung durch Tod des Arbeitnehmers nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen. Sie unterlagen also nicht der Beitragspflicht. Allerdings hatten sich die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger bereits in 2016 darauf verständigt, dass diese Auffassung wohl geändert wird, sobald das BAG auf die Entscheidungen des EuGH reagiert hat (GKV-Rundschreiben 2016/208 vom 2.5.2016).

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„Kein Urlaub vom Urlaub“ – Für Zeiten von Sonderurlaub besteht kein Urlaubsanspruch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) regelt das deutsche Urlaubsrecht weiter neu. Nach den jüngsten Entscheidungen zu Übertragbarkeit, Verfall und Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen hat das BAG mit aktuellem Urteil vom 19.03.2019 (Az. 9 AZR 315/17) entschieden, dass für die Berechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs („Sabbatical“) unberücksichtigt bleiben. Noch im Jahr 2014 hatte das Gericht in solchen Fällen einen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bejaht. Weiterlesen

Kein Urlaub während eines unbezahlten Sonderurlaubs

Schon wieder eine Änderung der Rechtsprechung in Sachen gesetzlicher Urlaubsanspruch


Das Urlaubsrecht muss aktuell in der Personalpraxis laufend beobachtet werden: der EuGH entwickelt mit seinen vielfältigen Entscheidungen die Urlaubspraxis weiter (z.B. Entscheidungen C-619/16 und C-684/16, C-596/16 und C-570/16), aber auch das BAG bleibt nicht untätig.

Erst kürzlich hat das BAG hat in einer nachvollziehbaren Entscheidung vom 19.3.2019 (AZ: 9 AZR 315/17) klargestellt, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Urlaubs unberücksichtigt bleiben, d.h. dass kein Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub entstehe, wenn der Arbeitnehmer wegen eines vertraglich vereinbarten Sonderurlaubs in einem Kalenderjahr durchgehend nicht arbeitet.

Eine klare Änderung der bisherigen Rechtsprechung), da bisher für das Entstehend des gesetzlichen Urlaubsanspruches nach § 3 Abs. 1 BUrlG entscheidend und ausreichend war, dass lediglich ein Arbeitsverhältnis besteht. Eine tatsächliche Arbeitsleistung war indes nicht erforderlich, um die gesetzlichen Urlaubsansprüche nach § 3 Abs. 1 BurlG entstehen zu lassen (BAG vom 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/12). Weiterlesen

Ohne Antrag keinen Urlaub – oder doch?

Arbeitgeber müssen Beschäftigte auf nicht genommenen Urlaub hinweisen – sagt das BAG

 

Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten „klar und rechtzeitig“ auffordern, noch nicht beantragten Urlaub zu nehmen und darauf hinweisen, dass er sonst verfällt. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) letzte Woche Dienstag in Erfurt entschieden und damit EU-Recht auch im Inland für verbindlich erklärt (BAG v. 19.2.19 – 9 AZR 541/15). Weiterlesen

Muss die aktuelle Urlaubspraxis auf den Prüfstand? Konsequenzen aus der Rechtsprechung des EuGH vom 6.11.2018

Im Rahmen zweier Vorabentscheidungsverfahren hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage schon allein deshalb nicht verliere, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Dies beinhaltet auch seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub.

Ausgangspunkt waren zwei deutsche Rechtsverfahren: In einer Konstellation hatte ein Rechtsreferendar eine finanzielle Vergütung für die nicht im Referendariat genommenen Urlaubstage beansprucht. Das andere Verfahren betraf den Fall, dass vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer von seinem privatwirtschaftlichen Arbeitgeber gebeten wurde, seinen Resturlaub zu nehmen; er wurde aber nicht  auf einen bestimmten Zeitraum verpflichtet. In beiden Konstellationen ist der Urlaub nicht verfallen bzw. kann eine Abgeltung beansprucht werden.   Weiterlesen