Was „Ausschlachten“ und „Upcycling“ umsatzsteuerlich gemeinsam haben

Der EuGH hatte mit Urteil vom 18.1.2017 (C-471/15, „Sjelle Autogenbrug“) entschieden, dass das Ausschlachten von Autoteilen der Differenzbesteuerung unterliegen kann. Konkret: Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass gebrauchte Teile, die aus Altfahrzeugen, die ein Autoverwertungsunternehmen von einer Privatperson erworben hat, stammen und als Ersatzteile verkauft werden sollen, „Gebrauchtgegenstände“ im Sinne dieser Bestimmung sind. Folglich unterliegt die Lieferung solcher Teile durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer der Differenzbesteuerung.

Fraglich war und ist allerdings, wie sozusagen der umgekehrte Fall zu betrachten ist, dass „Alt und Neu“ zusammengefügt werden, um daraus etwas schönes Neues zu fertigen – so beispielsweise, wenn eine antike Kommode mit einem neuen Waschbecken versehen und anschließend verkauft wird. Neudeutsch wird auch von „Upcycling“ gesprochen.

Mit einem solchen Fall wird sich bald der BFH befassen müssen (Az. XI R 9/23). Weiterlesen

Bruchteilsgemeinschaft in der Umsatzsteuer – ich hisse die weiße Flagge

Nehmen wir einmal folgenden einfachen Fall: A veräußert eine umsatzsteuerpflichtig vermietete Immobilie zu je 1/3 an B und C und bleibt selbst zu 1/3 beteiligt. Die Gemeinschaft ABC führt den Mietvertrag fort. A hat das Grundstück vor drei Jahren seinerseits umsatzsteuerpflichtig erworben. Fragen: Ist die Gemeinschaft ABC eine reine Bruchteilsgemeinschaft oder eine GbR? Liegt seitens A eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vor – und wenn ja, umfasst diese die komplette Immobilie oder nur 2/3? Muss A die Umsatzsteuer – ganz oder anteilig – nach § 15a UStG korrigieren, wenn der Verkauf an B und C umsatzsteuerfrei erfolgte? Ich kann die Fragen nicht beantworten.

Zunächst vorweg: Irgendwann habe ich gelernt, dass eine GbR vorliegt, wenn ein gemeinschaftlicher Zweck gegeben ist. Bei einer Vermietungsgemeinschaft hätte ich eigentlich gedacht, dass ein solcher Zweck prinzipiell vorhanden ist. Doch eine Vermietung allein scheint nicht auszureichen. Ich selbst bin kein Jurist und kann das nicht beurteilen. Aber mit meiner Unkenntnis in Sachen „Abgrenzung Bruchteilsgemeinschaft zur GbR“ scheine ich nicht allein zu sein. Zumindest signalisieren mir einige Kolleginnen und Kollegen, dass sie gleichermaßen verunsichert sind. Weiterlesen

Grundstücksvermietung inklusive Betriebsvorrichtung – Folgeentscheidung des BFH liegt vor

Häufig werden Grundstücke mitsamt Betriebsvorrichtungen vermietet. In umsatzsteuerlicher Hinsicht stellt sich dann die Frage, ob die Vermietung insgesamt umsatzsteuerpflichtig, insgesamt umsatzsteuerfrei oder teils steuerpflichtig (Anteil Betriebsvorrichtung) und – ohne Option – teils steuerfrei (Anteil Grundstück) ist. Die Finanzverwaltung tendiert in den Abschnitten 4.12.10 und 4.12.11 UStAE zur letzten der genannten Möglichkeiten, also zu einem so genannten Aufteilungsgebot. Dabei konnte sie sich bislang auf den BFH verlassen, der ebenfalls ein Aufteilungsgebot befürwortete (BFH-Urteil vom 28.5.1998, V R 19/96, BStBl 2010 II S. 307).

Der BFH war sich zuletzt aber nicht mehr sicher und hat den EuGH um Hilfestellung gebeten. Wie bereits in dem Blog-Beitrag „Vermietung eines Grundstücks samt Betriebsvorrichtung – was gilt denn nun?“ dargestellt, neigt der EuGH zur Annahme einer einheitlichen Leistung (EuGH-Urteil vom 4.5.2023, C-516/21). Naturgemäß sind die Ausführungen des EuGH im aktuellen Verfahren eher allgemeiner Natur gewesen, so dass noch eine Gewisse Unsicherheit bestand, wie der BFH im konkreten Fall entscheiden wird.

Letztlich ist der BFH zu folgendem Schluss gekommen: Weiterlesen

EuGH: Keine Umsatzsteuer für Influencer auf OnlyFans-Plattform

Mit Spannung war das Urteil des EuGH in der Angelegenheit „OnlyFans“ (Rs. C-695/20 – Fenix International Ltd. (Betreiberin von OnlyFans)) erwartet worden. Der EuGH entschied: Seitens der Influencer ist keine Umsatzsteuer zu zahlen!

Hintergrund

OnlyFans ist eine Social-Media-Plattform, die von Fenix International Ltd. betrieben wird. Influencer können hier ihren Content zur Verfügung stellen, so dass die Nutzer monatliche Abonnements abschließen, um auf den Content zuzugreifen.

Die Nutzer zahlen hierfür. In diesem Zusammenhang erhält im ersten Schritt Fenix International Ltd. das Geld und leitet hiervon einen Teil der Einnahmen an die Influencer weiter. Als Gebühr für die eigenen Leistungen behält Fenix International Ltd. 20 % von den Beträgen ein, die an die Influencer gezahlt werden. Die restlichen 80 % werden an die Influencer ausbezahlt. Über die Gebühr erstellte Fenix eine Rechnung und erhob hierauf 20 % britische Umsatzsteuer.

Die britische Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass dieses Vorgehen falsch ist und dass Fenix International Ltd. im Rahmen einer Dienstleistungskommission tätig wird. Demnach sei zu folgern, dass durch die Influencer eine Dienstleistung an Fenix International Ltd. (B2B) erbracht und durch Fenix International Ltd. eine elektronische Dienstleistung an die Nutzer erbracht werde. Daraus folge ferner, dass Fenix International Ltd.  Umsatzsteuer auf alle Einnahmen abführen müsse (100 %) – und zwar am Wohnsitz der Nutzer.

Fenix International Ltd. zog hiergegen vor Gericht, das wiederum den EuGH anrief, um zu klären, ob diese Regelung anzuwenden sei.

EuGH bekräftigt Finanzverwaltung

Für Fenix International Ltd. nahm dies kein gutes Ende, denn der EuGH bestätigte, dass hier die Leistungskommission vorliegt. Weiterlesen

Geschäftsveräußerung im Ganzen – willkommen beim Roulette

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist bekanntermaßen nicht umsatzsteuerbar. Was aber als Geschäftsveräußerung im Ganzen gilt, kann höchst fraglich sein. In zahlreichen Fällen werden Unternehmer und Berater nahezu zur Verzweiflung getrieben, da die Lösungsfindung einem Roulette gleichkommt.

Nehmen wir einmal folgenden Fall: Ihr Mandant betreibt ein Hotel. Dieses verkauft er zum 1. Juli 2023. Der Erwerber versichert ihm, das Hotel weiter zu betreiben. Tatsächlich betreibt dieser das Hotel aber nicht selbst, sondern verpachtet es ab dem 2. Juli 2023 an eine Betreibergesellschaft. Erst diese führt den eigentlichen Geschäftsbetrieb des Hotels fort. Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor? Nein, sagt das Finanzamt. Ja, sagt das FG München. Aber so ganz sicher ist es sich nicht, denn es wurde die Revision zugelassen (FG München, Urteil vom 2.2.2023, 14 K 2328/20, NWB FAAAJ-36402, Revision zugelassen). Weiterlesen

Fitnessstudios im Lockdown – lag ein Leistungsaustausch vor?

Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 mussten auch die Fitnessstudios schließen. Viele Betreiber haben ihren Mitgliedern damals angeboten, dass der Zeitraum, in dem die Mitglieder nicht trainieren konnten, am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei angehängt wird.  Auch wurden Onlinekurse angeboten und andere Aktivitäten entwickelt, um die Mitglieder zu behalten.

Die Frage ist, ob in der Zeit von Mitte März bis Mitte Mai 2020 dennoch ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch oder aber eine steuerbare Anzahlung der Mitglieder auf noch zu erbringende Leistungen vorlag. Weiterlesen

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Lebensmittel mit Werbe-Verpackung

Glücklicherweise finden nun wieder vermehrt Kongresse, Tagungen und Seminare statt. Und zu Fachveranstaltungen gehören Gummibärchen und Traubenzucker, deren Verpackungen mit dem Logo des Veranstalters oder eines Ausstellers bedruckt sind.

Aber Hand aufs Herz: Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, ob der Veräußerer solcher Werbelebensmittel gegenüber dem Veranstalter/Aussteller den regulären oder den ermäßigten Umsatzsteuersatz berechnen muss? Zugegebenermaßen habe ich mir diese Frage bislang nicht gestellt, dabei ist sie durchaus von Interesse, wie ein aktuelles BFH-Urteil zeigt.

Zunächst die Antwort vorweg: Trotz des Werbecharakters der Verpackung ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz zu gewähren oder kommt zumindest in Betracht (BFH-Urteil vom 23.2.2023, V R 38/21).

Nun der Sachverhalt:

Der Kläger betrieb einen Handel für Werbeartikel. Zu den Werbelebensmitteln, die er in seinem Sortiment führte, zählten zum Beispiel Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung sowie Aufdrucke, Gravuren oder Ähnlichem. Der Kläger bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. Er versteuerte die Veräußerungen als Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt hingegen ging davon aus, dass die Veräußerung der Werbelebensmittel eine sonstige Leistung in Form einer Werbeleistung sei, die dem Regelsteuersatz unterliege. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos, doch der BFH hat der Revision entsprochen.

Die Begründung ist nicht leicht verdaulich. Ich versuche, sie mit meinen eigenen Worten wiederzugeben: Weiterlesen

Vermietung eines Grundstücks samt Betriebsvorrichtung – was gilt denn nun?

Häufig werden Grundstücke mitsamt Betriebsvorrichtungen vermietet. In umsatzsteuerlicher Hinsicht stellt sich dann die Frage, ob die Vermietung insgesamt umsatzsteuerpflichtig, insgesamt umsatzsteuerfrei oder teils steuerpflichtig (Anteil Betriebsvorrichtung) und – ohne Option – teils steuerfrei (Anteil Grundstück) ist. Die Finanzverwaltung tendiert in den Abschnitten 4.12.10 und 4.12.11 UStAE zur letzten der genannten Möglichkeiten, also zu einem so genannten Aufteilungsgebot.

Schaut man sich die jüngste Rechtsprechung an, geht die Tendenz aber eher in Richtung einheitliche Leistung, die – je nachdem, welcher Teil der Gesamtleistung das Gepräge gibt – komplett umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig ist. Selbst der BFH war sich zuletzt aber nicht mehr sicher und hat den EuGH um Hilfestellung gebeten. Diese ist nun gekommen, und zwar in Form des EuGH-Urteils vom 4.5.2023 (C-516/21/curia.europa.eu).

Naturgemäß sind die Ausführungen des EuGH auch im aktuellen Verfahren eher allgemeiner Natur, doch letztlich tendiert er zur Annahme einer einheitlichen Leistung, so dass das von der deutschen Finanzverwaltung geforderte Aufteilungsgebot bald kippen könnte. Weiterlesen

Was eine Gemeindestraße und eine PV-Anlage gemeinsam haben

Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen neuen Betrieb eröffnen, doch bislang fehlt eine Zufahrtstraße zum Betriebsgrundstück. Sie errichten diese Zufahrtstraße in Abstimmung mit der Gemeinde auf eigene Kosten, allerdings liegt die neue Straße auf öffentlichem Gelände und kann bzw. darf daher von jedermann genutzt werden. Eigentlich gehen Sie davon aus, dass Sie die Vorsteuer aus den Aufwendungen für die Errichtung/Erschließung der Straße abziehen dürfen, denn es kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass die Kosten unternehmerisch veranlasst sind. Ohne die Straße könnten erst gar keine Umsätze erzielt werden. So weit, so klar, oder?

Leider war die Sache lange Jahre ganz und gar nicht klar. Erst der EuGH hat dem Spuk (der Finanzverwaltung) ein Ende bereitet und den Vorsteuerabzug ermöglicht (EuGH-Urteil vom 16.9.2020, Rs. C-528/19). Weiterlesen

PV-Anlagen: Was ist die Selbsterklärung der Kunden wert?

Für die Lieferung von Photovoltaikanlagen gilt seit dem 1. Januar 2023 der umsatzsteuerliche Nullsteuersatz, wenn die jeweilige Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird (§ 12 Abs. 3 UStG)

Der Nullsteuersatz wird auch für Anlagen gewährt, deren installierte Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister mehr als 30 kWp beträgt. Dann aber muss sich der leistende Unternehmer über die Nutzungsart des Gebäudes erkundigen. Hat der leistende Unternehmer keine Kenntnis über die Art des Gebäudes, auf dem die Photovoltaikanlage installiert wird, wird der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer entsprechende Informationen zur Verfügung stellen müssen (siehe dazu auch BT-Drucksache 20/5289 vom 20.1.2023, Seite 11).

Ausreichend für den Nachweis ist es, wenn der Erwerber erklärt, dass er Betreiber der Photovoltaikanlage ist und es sich entweder um ein begünstigtes Gebäude handelt oder die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut MaStR nicht mehr als 30 kWp beträgt oder betragen wird. Eine Erklärung des Erwerbers kann auch im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung (z.B. AGB) erfolgen (Abschnitt 12.18 Abs. 6 UStAE; BMF 27.2.2023, III C 2 – S 7220/22/10002 :010).

Doch wie viel ist eine solche Erklärung wert, wenn es um Missbrauchsfälle geht? Kann sich der Händler dann bezüglich des Nullsteuersatzes auf einen Vertrauensschutz laut UStAE berufen? Ehrlich gesagt bin ich skeptisch. Weiterlesen