Erwerb eines Grundstücksanteils aus Erbmasse ist keine Anschaffung

Heute möchte ich kurz auf ein aktuelles BFH-Urteil eingehen, mit dem ich mich zugegebenermaßen schwer tue. Der Leitsatz der Entscheidung lautet: Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks (BFH-Urteil vom 26.9.2023, IX R 13/22).

Mit eigenen Worten: Sind zwei Personen Miterbe einer Immobilie geworden und kauft der eine Miterbe dem anderen seinen Anteil ab, so kann der nunmehrige Alleineigentümer das Grundstück unmittelbar nach dem Hinzuerwerb des Anteils vollkommen steuerfrei veräußern – es liegt kein „Spekulationsgeschäft“ vor. Nun aber zu dem konkreten Urteilsfall. Weiterlesen

Aufreger des Monats Februar: Tue Gutes und zahle noch drauf – BFH vermiest das FSJ

Bei der Erstausbildung eines Kindes wird das Kindergeld – fast – ohne „Wenn und Aber“ geleistet. Bei einer Zweitausbildung wird ein Kind hingegen nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Lediglich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 2 u. 3 EStG). Immer natürlich vorausgesetzt, das Kind erfüllt die altersmäßigen Voraussetzungen.

Jedenfalls ist es kindergeldrechtlich von Vorteil, wenn eine Ausbildung noch als Erstausbildung gilt. Dabei können im Einzelfall auch ein Aufbaustudium, ein Masterstudium oder eine weiterführende Ausbildung noch der Erstausbildung zuzurechnen sein. Man spricht von einer einheitlichen Erstausbildung oder einer mehraktigen Berufsausbildung.

Wie der Bundesfinanzhof nun entschieden hat, liegt eine einheitliche Erstausbildung aber nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Weiterlesen

Beschränkung der betragsmäßigen Verlustverrechnung bei Termingeschäften – FG hat ernsthafte Zweifel

Verluste aus (gewissen) Kapitalanlagen sind aus Sicht des Fiskus Teufelszeug und sollen nach Möglichkeit nur eingeschränkt verrechnet werden können. Das hält die Finanzverwaltung selbstredend nicht davon ab, Gewinne vollumfänglich zu besteuern. Dieses Ungleichgewicht ist zum 1.1.2021 noch einmal verschärft worden, indem mit § 20 Abs. 6 Satz 5 geregelt wurde, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit maximal 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils auch nur in Höhe von maximal 20.000 Euro verrechnet werden. Wer mit seinen Termingeschäften also nur ein einziges Mal „richtig danebenlag“, muss schon extrem alt werden und jahrzehntelang Gewinne erzielen, um die vollständige Verrechnung des Verlustes erleben zu können.

Das FG Rheinland-Pfalz hat jetzt in einem AdV-Verfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung geäußert (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23).

Der Sachverhalt:

Ein Steuerpflichtiger erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus entsprechenden Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro berücksichtigte es lediglich in der Verlustfeststellung. Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beschränkung der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften hielt er für unzulässig. Er wies darauf hin, dass vom Bundesverfassungsgericht derzeit ohnehin geprüft werde, ob die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienverluste rechtens ist (2 BvL 3/21). Die Entscheidung werde präjudizierend auch für die Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften sein. Das FG gab dem AdV-Antrag statt.

Die Begründung:

Das FG habe nach vorläufiger Prüfung ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020. Die Vorschrift bewirke, dass Verluste aus Termingeschäften zwar nicht generell versagt, jedoch nur bei (späteren) Gewinnen aus Termingeschäften bzw. Stillhalterprämien und dann nur zeitlich gestreckt abgezogen werden dürfen. Die Vorschrift behandele damit Steuerpflichtige bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus Termingeschäften oder anderen Kapitalanlagen haben. Für diese Ungleichbehandlung fehle es an einem sachlichen Rechtfertigungsgrund. Dass es mehr oder weniger risikoreiche Kapitalanlagen gibt, rechtfertige noch nicht eine Verlustverrechnungsbeschränkung. Diese gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein kann.

Denkanstoß:

Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Auch hat das AdV-Verfahren bereits den BFH erreicht, denn die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. VIII B 113/23). Jedenfalls zeigt die Entscheidung, dass die – betragsmäßige – Beschränkung der Verlustverrechnung zweifelhaft ist. Entsprechende Fälle sollten daher bis auf Weiteres offen gehalten werden.

Vordruck Anlage SO 2023 und amtliche Anleitung sind – und bleiben (!) – falsch

Die Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe 2022) sollte nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers im Jahre 2023 steuerpflichtig sein – und zwar nach einem extrem komplizierten und verfassungsrechtlich umstrittenen Verfahren. Glücklicherweise wurde diesem Unfug später ein Ende bereitet – die Regelungen zur Versteuerung wurden mit dem „Kreditzweitmarktförderungsgesetz“ ersatzlos gestrichen. Allerdings ist diese Streichung erst Ende des vergangenen Jahres erfolgt – zu spät für die „Vordruckmacher“ der Finanzverwaltung.

In der Anlage SO zur Einkommensteuererklärung 2023 gibt es daher in Zeile 17 eine Abfrage zur Gas- / Wärmepreisbremse. In der amtlichen Anleitung zur Anlage SO (Zeile 17) heißt es denn auch: „Wurden Sie durch die Gas- /Wärmepreisbremse entlastet, müssen Sie die Entlastung ganz oder teilweise versteuern, …“

Die Eintragung ist aufgrund der besagten Gesetzesänderung aber überflüssig geworden. Die Anlage SO und vor allem die amtliche Anleitung sind daher falsch. Weil sie jedoch bereits offiziell genehmigt wurden, werden sie nicht mehr geändert. In einer Pressemitteilung des Senators für Finanzen Bremen heißt es vom 29.1.2024 heißt es dazu: Weiterlesen

Zum Widerruf der Gestattung der Ist-Besteuerung

Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland (BFH-Urteil vom 12.07.2023, XI R 5/21).

Hintergrund:

Der Vorsteueranspruch eines Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG entsteht bereits mit der Ausführung der Leistung und nicht erst mit der Entrichtung des Entgelts. Unerheblich ist, ob der Leistende Soll- oder Ist-Versteuerer ist. Dies ermöglicht eine Vorfinanzierung zu Lasten des Fiskus, wenn der Leistende ein Ist-Versteuerer ist. Das heißt, der Leistungsempfänger zieht die Vorsteuer ab, obwohl er die Leistung – zum Beispiel aufgrund einer Stundung – noch nicht bezahlt hat, während der Leistungsempfänger die entsprechende Steuer noch nicht schuldet. Dieses Ergebnis ist vom nationalen Gesetzgeber im Prinzip gewollt, da er die Regelung über § 20 UStG „ohne Not“ geschaffen hat, denn EU-rechtlich hätte er auch eine zeitliche Korrespondenz von Umsatzsteuer-Entstehung und Vorsteuerabzug regeln können.

Ein Finanzamt witterte in der offenbar bewussten Ausnutzung des Zeitgefälles einen Gestaltungsmissbrauch und wollte dem Leistenden die Gestattung der Ist-Besteuerung versagen bzw. die Genehmigung widerrufen. Allerdings scheiterte es mit seinem Ansinnen beim BFH. Weiterlesen

Geerbter Ausschüttungsanspruch: Fiskus langt doppelt hin

Angenommen, Sie haben eine GmbH-Beteilung, Aktien oder eine Anleihe mit Stückzinsanteil geerbt, und weiter angenommen, in den Kapitalanlagen sind noch Erträge „enthalten“ (Ausschüttungsanspruch, Dividenden, Stückzinsen), so unterliegen auch die Ertragsansprüche, also die Forderungen, der Erbschaftsteuer. Das können schnell 30 Prozent oder sogar noch mehr sein.

Eines Tages vereinnahmen Sie die Erträge, allerdings unter Abzug der Kapital- bzw. Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag. Sie erkennen, dass Ihnen unterm Strich vielleicht nur 45 Prozent des Ertrages verblieben sind und sich der Fiskus den Rest geholt hat.

Wenn Sie nun der Auffassung sind, dass diese Doppelbelastung mit Erbschaft- und Kapitalertragsteuer verfassungswidrig ist, muss ich Sie leider enttäuschen. Genauer gesagt werden Sie vom FG Münster enttäuscht werden, denn dieses hat in jüngster Zeit gleich zweimal entschieden, dass die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Kapitalertragsteuer rechtens ist. Weiterlesen

Kuchenverkauf an Schulen – das Finanzamt will nicht mitessen

Wenn sich die öffentliche Hand in Wettbewerb zur Privatwirtschaft begibt oder sie – anders ausgedrückt – keine rein hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt, sollen die entsprechenden Institutionen mit ihren Umsätzen spätestens ab 2025 der Umsatzsteuer unterliegen. Betroffen sind prinzipiell auch Schulen und Kitas. Und auch der Kuchenverkauf anlässlich von Schulfesten könnte dann der Umsatzsteuer unterliegen.

Glücklicherweise hat sich die Finanzverwaltung dazu durchringen können, den Kuchenverkauf unbesteuert zu lassen – das Finanzamt sitzt also nicht mit am Tisch.

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Gleichgeschlechtliche Ehe: Zusammenveranlagung für Altjahre auch bei „verspäteter“ Umwandlung der Lebenspartnerschaft?

Viele gleichgeschlechtliche Paare haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Natürlich stand bei den meisten wohl nicht das Steuerrecht im Vordergrund, doch immerhin hatte die Umwandlung einen steuerlichen Vorteil: Die Partner konnten nämlich bis zum 31.12.2020 rückwirkend die Zusammenveranlagung beantragen – und zwar für alle Jahre bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies war auch dann möglich, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig waren. Voraussetzung war allerdings, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt worden ist.

Doch ob die Frist „31.12.2019“ – in steuerlicher Hinsicht – überhaupt eingehalten werden musste, beschäftigt nun den BFH in dem Revisionsverfahren III R 18/23. Die Frage lautet: Ist das Ehegattenwahlrecht aufgrund einer rückwirkenden Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe auch rückwirkend zu gewähren? Weiterlesen

Wofür ist eigentlich die „Überbrückungshilfe Plus“ gezahlt worden?

Wer weiß eigentlich noch genau, welche Förderrichtlinien während der Corona-Pandemie für die jeweiligen Sofort- und Überbrückungshilfen galten? Die haben sich damals so oft geändert, dass man schon einmal durcheinander geraten konnte. Unzählige Verwaltungsgerichte durften und dürfen sich noch mit der Frage befassen, nach welchen Parametern die Soforthilfen tatsächlich zu berechnen waren. Neben den Verwaltungsgerichten sind nun auch die Finanzgerichte an der Reihe, um eine Art Ahnenforschung zu betreiben.

Kürzlich ist das FG Düsseldorf der Frage nachgegangen, ob die Überbrückungshilfe Plus des Landes Nordrhein-Westfalen den steuerpflichtigen Betriebseinnahmen zuzurechnen ist oder steuerfrei bleiben kann, weil sie vermeintlich oder tatsächlich – auch – zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten gezahlt wurde. Es hat sich für eine Besteuerung entschieden, aber die Revision zugelassen (FG Düsseldorf, Urteil vom 7.11.2023, 13 K 570/22 E). Weiterlesen

Erstattungszinsen tarifermäßigt besteuern? BFH rückt von seiner Linie ab!

Erstattungszinsen werden als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert, es sei denn, sie gehören zu einer anderen Einkunftsart, etwa zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb – beispielsweise, weil sie im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer oder Gewerbesteuer stehen. Manchmal kommt es vor, dass Steuererstattungen und Erstattungszinsen mehrere Jahre betreffen, beispielsweise nach einer Betriebsprüfung oder nach langjährigen Gerichtsverfahren.

Die Frage ist, ob in diesem Fall die Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 EStG in Betracht kommt. Bislang haben die Finanzverwaltung und der BFH die Anwendung der Fünftel-Regelung abgelehnt.

Gegen eine Erstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf die Erstattungszinsen spreche unter anderem, dass ihre Festsetzung für einen längeren, periodenübergreifenden Zeitraum und der daran anknüpfende Zufluss in einem Betrag keineswegs untypisch sind (BFH-Urteil vom 12.11.2013, VIII R 36/10). Doch nun hat der BFH seine Auffassung geändert. Weiterlesen